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Die Kirche im Dorf lassen
Der letzte Gottesdienst in einem Dorf das der Braunkohle weichen sollte.
Es ist bedrückend in diesen Tagen durch das Dörfchen Manheim im Rheinland zu gehen. Trümmer, Container voller Schutt, mit Sperrholzplatten vernagelte Fenster und Türen. Manheim ist zum Großteil ein Geisterdorf. Nur noch wenige Menschen leben hier. Einen echten Grund dafür gibt es eigentlich nicht mehr. Anfang des Jahres hatte die Kohlekommission beschlossen, dass der Erhalt des Hambacher Forst »wünschenswert« sei.
Manheim liegt hinter dem Wald und könnte bleiben. Doch was einmal geplant ist, wird von RWE auch umgesetzt. Im Bürgerbeirat des Dorfes, dem eine Nähe zum Energiekonzern nachgesagt wird, und bei einem beträchtlichen Teil der Dorfbewohner ist man dafür, die begonnene Umsiedlung des Dorfes fortzusetzen. Das hat wirtschaftliche wie auch emotionale Gründe. Die, deren Häuser schon zerstört sind und im Umsiedlungsdorf leben, wollen dort nicht »alleine« sein. Andere haben das Geld aus dem Hausverkauf schon verplant. Wirklichen Widerstand gegen die Zerstörung gibt es aus der Dorfbevölkerung nicht.
Auch die, die gerne bleiben würden, haben resigniert. Es sei zu spät, so der Tenor. Die letzten, die für den Erhalt des Dorfes gekämpft haben, waren Aktivisten aus dem Hambacher Forst, die im Herbst einige Häuser besetzten. Nach der Räumung der Häuser beschleunigte RWE die Zerstörung des Dorfes.
Am Samstag nun ein letzter emotionaler Höhepunkt für viele ehemalige Manheimer und ein Grund zum Protest für Kohlegegner. Die Dorfkirche sollte profaniert werden. Ein letzter Gottesdienst, mit dem die Kirche zu einem »normalen« Gebäude wird, das abgerissen werden kann. Für viele ehemalige Manheimer ein Tag zum Abschied nehmen. Kohlegegner wollten auf die passive Rolle der katholischen Kirche aufmerksam machen, die es zuließ, dass zig Kirchen den Braunkohlebaggern weichen mussten. »Wir bitten die Katholische Kirche, sich mit konkreten Maßnahmen für den Erhalt der Dörfer, der Kirchen, der Wälder und damit für uns alle einzusetzen. Sie muss Kirchen nicht entweihen, um Baggern und Profit den Weg frei zu machen«, heißt es in einem Aufruf zum stillen Protest gegen die Entweihung der Kirche.
So still wurde der Protest dann nicht. Als Polizisten sich vor der Kirche aufbauten, erklang neben dem Protestklassiker »Wehrt euch, leistet Widerstand« auch immer wieder das Kirchenlied »Laudato si«. Die Demonstranten knüpften damit an Äußerungen mehrere deutscher Bischhöfe an, von denen sich der Hildesheimer Bischof Wilmer mit den Worten, »Ich bin der Ansicht, die Kirche muss Anwalt der ‚Fridays for Future‘-Bewegung sein«, am deutlichsten positioniert hatte. Die Kirche in Manheim wollte davon allerdings nichts wissen. In den Gottesdienst kam nur, wer sich vorher angemeldet hatte.
Und während es in der Kirche darum ging, was die Manheimer mit ihrer Kirche verbinden, räumte die Polizei vor der Tür die Straße von Demonstranten frei. Das geschah weitgehend gesittet, bis auf einzelner Schubser blieben Auseinandersetzungen aus. Und im Anschluss bekleckerten sich auch Kohlegegner, die Messdiener und den Pfarrer nach Verlassen der Kirche mit »Verräter« Rufen empfingen, nicht gerade mit Ruhm.
Trotzdem endete ein emotionaler Tag ruhig. Die Kirche hat sich entschieden, den Manheimern einen Abschied im Kreis der Dorfbevölkerung zu ermöglichen. Das ist nachvollziehbar. Gleichzeitig hat sie die Chance verpasst, einen Dialograum zu öffnen, in dem sich alle, die um Manheim und seine Kirche trauern, einbringen können.
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