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Sollten queere Menschen FDP wählen?
Lotte Laloire über ein Missverständnis und einen Ausweg, den LSBTI-Personen bei der EU-Wahl wählen könnten
»Die FDP ist die beste Wahl für LSBTI. Im Vergleich der Wahlprogramme überrascht das nicht«, verkündete der Zuständige der Fraktion, Jens Brandenburg, stolz. Doch. Das überrascht viele. Die FDP steht auf Individualismus und Eigenverantwortung statt auf soziale Politik. Wie soll mit ihrer Ideologie, die die Freiheit des Einzelnen über alles stellt, Gleichstellung und Gleichheit einer Gruppe erreicht werden?
Der Tweet des LSBTI-Sprechers der FDP illustriert einen Irrtum, der derzeit in der queeren Community kursiert, also unter Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Inter* (LSBTI) sowie deren Verbündeten. Zustande kam das Missverständnis nach Recherchen des »nd« so: Der Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD) hatte vor der Wahl Fragen zum Thema LSBTI an alle Parteien gestellt. Diese konnten dabei über ihre Programme hinaus antworten. Der LSVD, der als Grünen-nah gilt, hat dann Smilies verteilt. Die AfD erhielt keinen, die Union nur einen. Ein paar mehr Lachgesichter gab es für LINKE und Grüne, noch weiter vorn war die SPD. Am besten schnitt die FDP ab. Warum?
»Die hat einfach die umfangreichsten und detailliertesten Antworten gegeben«, erklärte LSVD-Sprecher Markus Ulrich gegenüber »nd«. »Andere Parteien haben das nicht gemacht, was für sie jetzt natürlich ärgerlich ist. Aber unser Verfahren war transparent«, so Ulrich. Die Annahme, die FDP sei eine gute Wahl, resultiert also nicht nur aus politischen, sondern auch aus methodischen Gründen. Fehlende oder kurze Antworten an den LSVD offenbaren zu wenig Ressourcen für das Thema in Parteien, selbst wenn ihre Programme eigentlich LSBTI-freundlich sind. Und diese sollten Wahlberechtigte unbedingt berücksichtigen. Im 150-seitigen EU-Wahlprogramm der FDP finden sich nur wenige konkrete Ideen, die das Leben von LSBTI verbessern könnten. Die Abkürzung taucht, wie bei LINKEN und SPD, nur auf zwei Seiten auf. Das ist wenig, gemessen daran, dass sich knapp zehn Prozent der Menschen in Deutschland selbst so identifizieren.
Die FDP will etwa, dass Demonstrationen von LSBTI »unionsweit ungehindert und sicher stattfinden können«. Natürlich muss dieses Grundrecht - wie alle bürgerlichen Freiheiten - gegen reaktionäre Bewegungen in der EU verteidigt werden - gesellschaftlich und juristisch. Warum die FDP dafür Gesetzgeberin werden will, erschließt sich jedoch nicht. Auf dem Papier existiert Versammlungsfreiheit in allen Mitgliedsstaaten. Dass die Liberalen Demonstrationen »sicher« machen wollen, könnte aber darauf hindeuten, dass sie Repressionsorgane wie die Polizei ausbauen wollen.
An der zweiten Stelle, an der LSBTI auftauchen, geht es eigentlich darum, Entwicklungshilfe für Staaten »auf den Prüfstand« zu stellen, die LGBTI zunehmend kriminalisieren. Weniger Geld für autoritäre Regime dürften viele, auch Linke, gutheißen. Doch tatsächlich steht hier nicht der Schutz von Menschen vor Verfolgung im Vordergrund, sonst müsste die FDP legale Einreisemöglichkeiten und ein stabiles Asylrecht für alle statt nur für Fachkräfte propagieren. Stattdessen heißt es auf Seite 122: »Wir wollen einen weiteren Stellenaufbau bei Frontex«.
Für flüchtende LSBTI versprechen Grüne und LINKE mehr. Erstere wollen einen besseren Gewaltschutz in EU-Erstaufnahmeeinrichtungen. Wohl, weil sie Sammelunterkünfte per se ablehnt, fordert die LINKE nicht explizit, dort die Bedingungen für LSBTI menschlicher zu machen.
Das Interessanteste am Programm der FDP ist übrigens das, was nicht drin steht. Weder wollen sie das Transsexuellengesetz abschaffen, wie es Betroffene und Linkspartei verlangen, noch ist bei den Liberalen der Punkt zu lesen, den die SPD einbringt: »Strafverfolgungsbehörden überall in Europa sensibilisieren«, um besser gegen Gewalt an LSTBI vorgehen zu können. Grüne und LINKE teilen diese Ansicht - jedoch nicht explizit in ihren Programmen. Warum nicht? Wurde hier Papier gespart, um die Umwelt zu schonen? Angesichts von Enttäuschungen für LSBTI, die alle Parteien im Programm haben, gibt es bei der EU-Wahl diesen Sonntag einen Ausweg: auf soziale Politik achten. LSBTI werden als Lohnabhängige ausgebeutet, häufig noch unangenehmer als Heteros. Ausgrenzung macht sie oft arm und abhängig von Sozialleistungen. Das System der Ungleichheit stellt jedoch keine der im LSVD-Ranking erfolgreichen Parteien FDP, SPD und Grüne grundsätzlich infrage. Leider.
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