Der kommende Machtkampf in der SPD

Vorsitzende wird nach Wahlniederlagen der SPD attackiert. Auch Union debattiert über schwache Ergebnisse

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 5 Min.

Die SPD-Spitze hatte nach den Wahlniederlagen in Bremen und bei der Abstimmung für das EU-Parlament einiges zu besprechen. Erst am Montagnachmittag und damit später als geplant traten Parteichefin Andrea Nahles und die Europawahl-Spitzenkandidaten Katarina Barley und Udo Bullmann im Berliner Willy-Brandt-Haus vor die Journalisten. Nahles erklärte, dass der »Ernst der Lage« allen klar sei. Die SPD war bei der EU-Wahl erstmals bei einer bundesweiten Abstimmung auf dem dritten Platz gelandet. Sie erlitt herbe Verluste und landete bei nur 15,8 Prozent.

Nahles beließ es bei wenigen Sätzen. Sie kündigte eine Klausurtagung der SPD am 3. Juni an. Dort wolle sich die Parteiführung mit Fragen der Strategiefähigkeit, einer »klareren Positionierung bei Thermen wie Klima und Arbeit« sowie mit der Profilbildung in der Bundesregierung beschäftigen. Die Politik der Großen Koalition gilt für viele Genossen als Ursache für den Abstieg der Sozialdemokraten.

Kurz nach der Wahl war ein Papier von Mitgliedern des linken SPD-Flügels bekannt geworden. Darin erklärten der stellvertretende Parteivorsitzende Ralf Stegner, Fraktionsvize Matthias Miersch und Juso-Chef Kevin Kühnert, dass die Sozialdemokraten bei zentralen Themen keine Blockaden durch CDU und CSU mehr dulden könnten. Als Beispiele nannten sie ein Klimaschutzgesetz, die schnelle Umsetzung des neuen Berufsbildungsgesetzes, das Azubis bei Bezahlung und Schutzrechten spürbar stärken soll, sowie die Grundrente und das Einwanderungsgesetz.

Die Autoren sprachen auch von »Perspektiven fortschrittlicher Bündnisse nach dem Ende der Großen Koalition«. Die Grünen müssten klären, ob sie wirklich Jamaika-Koalitionen mit Union und FDP einem sozialen Bündnis vorziehen. Zudem müsse die Linkspartei entscheiden, ob sie in der Breite wirklich regieren und auch gemeinsame europäische Positionen mittragen wolle. Damit dürften die Autoren unter anderem die Zustimmung zu Militäreinsätzen der EU, welche die LINKE bislang ablehnt, gemeint haben.

Personaldebatten in der SPD werden in dem Papier abgelehnt. Zuletzt hatte es Anzeichen dafür gegeben, dass der frühere Parteichef Martin Schulz, der bei der vergangenen Bundestagswahl als Spitzenkandidat gescheitert war, Nahles von der Fraktionsspitze verdrängen will. In den Reihen der SPD gibt es auch andere mögliche Nachfolger von Nahles, zum Beispiel Achim Post und Matthias Miersch. Am Dienstag berichtete die Agentur AFP über ein Papier, in dem SPD-Bundestagsabgeordnete eine schnelle Entscheidung über die Zukunft von Nahles erzwingen wollen. »Ich beantrage eine Sondersitzung der SPD-Bundestagsfraktion zur Nachbereitung der Europawahl«, heißt es in einem Schreiben des Bundestagsabgeordneten Michael Groß an den Vorsitzenden der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen in der Fraktion, Achim Post. Nahles sagte derweil über ihre Zukunft: »Die Verantwortung, die ich habe, spüre ich, die will ich aber auch ausfüllen.«

Der sich abzeichnende Machtkampf ist eine von mehreren Kontroversen in der SPD. Hinzu kommt, dass sich die Parteilinke uneins darüber ist, wie es mit der Großen Koalition weitergehen soll. Während Stegner, Miersch und Kühnert Forderungen an die Union stellten, sagte die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis nach einem Bericht der »Stuttgarter Zeitung«, dass auf dem nächsten Parteitag Konsequenzen gezogen werden müssten. »Für mich heißt das: raus aus der Groko und einen inhaltlichen Erneuerungsprozess umsetzen«, so Mattheis. Auch die nordrhein-westfälischen Jusos werteten das Wahlergebnis als »Beweis dafür, dass eine glaubwürdige Parteierneuerung in der Großen Koalition nicht funktioniert«.

Im Konrad-Adenauer-Haus der CDU war die Stimmung am Montag ebenfalls gedrückt. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer räumte nach der Sitzung der Parteispitze ein, dass das Ergebnis bei der EU-Wahl nicht dem Anspruch, eine »Volkspartei« zu sein, gerecht werde. CDU und CSU hatten gemeinsam 28,9 Prozent der Stimmen erhalten. Dies bedeutete einen Verlust von 6,4 Prozentpunkten. Vor allem bei jungen Wählern sind die Konservativen unbeliebt. Bezeichnend dafür war ein Video des YouTubers Rezo, der unter anderem die CDU vernichtend kritisiert hatte. Antworten auf dieses Problem hat man in der CDU-Zentrale noch nicht gefunden. Kramp-Karrenbauer sagte lediglich, dass die Partei nicht offensiv bei den Themen, die junge Menschen umtreiben, agiert habe. Sie nannte in diesem Zusammenhang den Klimaschutz und das Urheberrecht.

Zudem konstatierte die Parteivorsitzende, dass sich in den vergangenen Monaten ein Image verfestigt habe, »dass es in der CDU einen Rechtsruck gegeben hat«. Dies gelte auch für die Junge Union. Nach einem Bericht der »Welt« soll die Parteispitze in der Nacht auf Montag eine interne Wahlanalyse an die Mitglieder des Bundesvorstands versendet haben. Zwei Hauptschuldige aus den eigenen Reihen seien in dem Schreiben für das Wahldebakel verantwortlich gemacht worden: Die Junge Union und die Werte-Union, die von Parteirechten wie dem früheren Geheimdienstchef Hans-Georg Maaßen dominiert wird.

Vor den Journalisten ruderte Kramp-Karrenbauer etwas zurück. Den allgemeinen Eindruck des Rechtsrucks bezeichnete sie als »falsch«. Zudem meinte sie, dass niemandem intern die Schuld zugeschoben werden solle. Trotzdem scheint es aus ihrer Sicht notwendig zu sein, dass sich die Partei künftig breiter aufstellt und zumindest verbal auf verschiedene Milieus zugehen sollte. »Wir müssen intensiv diskutieren, ob wir in unseren Vereinigungen unserem Anspruch, Volkspartei zu sein, noch gerecht werden«, sagte Kramp-Karrenbauer.

Die Diskussionen werden in der CDU schon bald weitergehen. Am Sonntag trifft sich die Parteispitze zu einer zweitägigen Klausur. Dort sollen neben einer Analyse der schwachen Wahlergebnisse auch die drei anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen vorbereitet werden.

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