Ein großes Geschäft

Beim Flughafenbau setzt Honduras auf öffentlich-private Partnerschaften - zum Wohle zweifelhafter Unternehmer

  • Martin Reischke, Tegucigalpa
  • Lesedauer: 6 Min.

Neben der vierspurigen, stark befahrenen Autobahn in einem trockenen Landstrich von Honduras steht ein riesiges Schild: Ein nagelneuer Flughafen ist darauf zu sehen. Hinter dem Metallzaun, der das Baugelände von der Straße trennt, wächst das neue Terminal langsam in die Höhe. Wie kommt ein neuer Airport mitten in die Pampa, mehr als 70 Kilometer von der Hauptstadt Tegucigalpa entfernt?

»Das Projekt basiert auf der interessanten Lage von Honduras«, sagt Carlos Pineda, der im Auftrag der honduranischen Regierung für die Umsetzung öffentlich-privater Partnerschaften zuständig ist. »Das Land liegt praktisch im Herzen des amerikanischen Kontinents, genau in der Mitte.«

Das Modell funktioniert so: Der Staat stellt das Grundstück und die bestehende Infrastruktur zur Verfügung, die Kosten für den Bau teilt er sich mit einem privaten Investor, der den Flughafen anschließend betreibt. Für den Investor ist das ein einträgliches Geschäft: Denn während er mit hohen Gewinnen rechnen kann, wenn es gut läuft, schießt der Staat Geld zu, sobald die Passagierzahlen niedriger sind als prognostiziert. »Die öffentlich-privaten Partnerschaften sind zu einem großen Geschäft geworden, weil sie so strukturiert sind, dass der Privatunternehmer gar nicht verlieren kann«, sagt der honduranische Ökonom Rafael Delgado. Die Kosten für das Geschäftsmodell trägt die Öffentlichkeit.

Der Flughafen Palmerola ist das Herzstück eines ambitionierten Infrastrukturplans, mit dem die honduranische Regierung ihr Land zum Logistikzentrum Zentralamerikas ausbauen will. Dafür werden neue Straßen gebaut, Häfen im Pazifik und Atlantik modernisiert - und eben der neue Flughafen errichtet. Ganz neu ist er eigentlich nicht: Schon seit Anfang der 1980er Jahre unterhält das honduranische Militär hier einen Stützpunkt, der vor allem von US-Truppen genutzt wird, eine Start- und Landebahn gibt es bereits. Doch die Pläne gehen noch viel weiter. »Ein Flughafen würde hier große Investitionen mit sich bringen, nicht nur wegen des Frachtterminals, das für den Export neuer Produkte genutzt werden kann, sondern auch wegen der Möglichkeit, die ganze Region touristisch zu entwickeln, mit Hotels, Dienstleistungen und vielen neuen Arbeitsplätzen«, schwärmt Carlos Pineda. »Es gibt Tausende Dinge, die man um einen Flughafen herum entwickeln kann.«

Nach seiner Fertigstellung soll der neue Flughafen trotz der großen Entfernung zur Hauptstadt den alten Airport in Tegucigalpa ablösen. Denn der zählt mit seiner extrem kurzen Landebahn, umgeben von Bergen, zu den anspruchsvollsten Flughäfen der Welt. Immer wieder kam es hier in der Vergangenheit zu Unfällen, weil Maschinen bei der Landung über die Piste hinausgeschossen sind.

Die Konzession für den Neubau und Betrieb des Flughafens hat das Unternehmen Palmerola International Airport bekommen, eine Tochter der Holdinggesellschaft EMCO. Hinter dem Konzern steckt der honduranische Unternehmer Lenir Pérez. Beraten wird er von der Munich Airport International GmbH, einem Tochterunternehmen der Flughafen München GmbH. So sollen die Honduraner vom Münchner Know-How profitieren.

Doch die Kooperation hat einen Haken: Zivilgesellschaftliche Akteure wie die internationale Nichtregierungsorganisation Global Witness werfen Lenir Pérez vor, bei seinen Projekten Umweltschäden in Kauf zu nehmen und Menschenrechte zu missachten. Eine Fallstudie von 2017 beschreibt die Geschäftspraktiken des Unternehmers. Darin geht es um eine Eisenoxid-Mine, die Pérez im Norden des Landes plante - gegen den Willen der lokalen Bevölkerung, die irreversible Umweltschäden befürchtete. Ein Bericht des honduranischen Umweltministeriums gab ihnen Recht: Wasservorkommen seien durch die Erkundungsarbeiten an der Mine verseucht worden, Fische aus den Flüssen verschwunden, heißt es dort.

Anwohnerinnen und Anwohner, die sich gegen das Projekt aussprachen oder sich weigerten, ihr Land zu verkaufen, erhielten laut Global Witness Morddrohungen. Als der Schweizer Menschenrechtsaktivist Daniel Langmeier mit einer Begleiterin 2013 in die Region reiste, um die Situation zu dokumentieren, gerieten auch sie in die Schusslinie von Pérez: Schwer bewaffnete Sicherheitskräfte konfiszierten ihre Kameras, hielten die beiden über Stunden fest und bedrohten sie. »Sie haben alles Material, das wir hatten, gelöscht, und dort haben sie uns auch gesagt: Wenn wir jemals wiederkommen, würden sie uns im Wald verschwinden lassen«, erinnert sich Langmeier.

Bis heute ist die Mine nicht in Betrieb gegangen. Aktuell betreut Langmeier einen ähnlichen Fall in Bajo Aguán im Nordosten des Landes. Auch hier soll eine Eisenoxid-Mine gegen den Willen der lokalen Bevölkerung ausgebeutet werden. Und auch hier sei es zu Übergriffen der privaten Sicherheitskräfte gekommen, so Langmeier. »Dort wissen wir nicht, wie es weitergeht und wieder ist es eine Firma von Lenir Pérez«, sagt der Aktivist. »Noch haarsträubender ist natürlich, dass das wirklich zur selben Zeit passiert, da Pérez sich anderswo im Land als aufrichtiger Businessman gibt.«

Doch Carlos Pineda, der im Auftrag der honduranischen Regierung für die Überwachung des Flughafenprojekts Palmerola zuständig ist, zeigt sich ahnungslos. »Wir haben nie davon gehört, dass die Holdingsgesellschaft EMCO Probleme mit den Menschenrechten hat, aber ganz allgemein gilt in Honduras natürlich das Prinzip, dass die Menschenrechte respektiert werden müssen.«

Selbst die bayerische Landespolitik hat sich schon mit den Vorwürfen der Menschenrechtsverletzung durch den Unternehmer Lenir Pérez beschäftigt. In München hat Christian Magerl, damals noch Landtagsabgeordneter der Grünen, im Mai 2018 die Landesregierung als Hauptgesellschafter des Flughafens um Aufklärung gebeten. In der Antwort auf seine schriftliche Anfrage heißt es, dass weder der Flughafen München noch die in Honduras tätige Tochtergesellschaft nach eigenen Angaben Kenntnis über die Vorwürfe gegen Lenir Pérez hätten.

Auch die Flughafen München GmbH (FMG) weist in einem Schreiben die Vorwürfe zurück. Vor Abschluss der Geschäftsbeziehungen habe die FMG überprüft, ob der potenzielle Geschäftspartner sämtliche Gesetze und Rechtsvorschriften im Land einhalte. »Dabei nutzte die FMG auch die Expertise der Deutschen Außenhandelskammer Honduras und steht seit Projektstart überdies in engem Kontakt mit der dortigen deutschen Botschaft«, heißt es in einer Mitteilung der Flughafen München GmbH. »Weder die Einschätzungen dieser beiden Institutionen noch die Erfahrungen aus der bisherigen Zusammenarbeit haben Anhaltspunkte für die (…) von den Grünen erhobenen Vorwürfe gegen die honduranischen Geschäftspartner und ihre Repräsentanten ergeben.«

Der Menschenrechtsaktivist Daniel Langmeier kann das kaum glauben. »Eine Googlesuche zu Menschenrechten in Honduras und Lenir Pérez - und diese Information ist jedem zugänglich!«, sagt er. »Das schmerzt dann schon, wenn man das Leid der Bevölkerung kennt und das einfach weggewischt wird.«

Die Zeit ist auf der Seite der Investoren. Denn wenn der neue Flughafen erst einmal erfolgreich in Betrieb ist, dürfte es keinen der Fluggäste mehr interessieren, ob die Menschenrechte vom Bauherren eingehalten werden oder nicht.

Die Bürgerinnen und Bürger von Comayagua, dem kleinen Kolonialstädtchen gleich in der Nähe der Flughafenbaustelle, sehen dem Projekt mit gemischten Gefühlen entgegen - allerdings aus ganz anderen Gründen, wie eine Anwohnerin erzählt. »Ja, das Projekt ist sehr wichtig, obwohl es gute und schlechte Dinge mit sich bringt«, sagt Jaqueline Licona. »Denn wenn es den Flughafen gibt, gibt es mehr Geschäfte und mehr Handel, aber dann gibt es auch mehr Diebstähle und dunkle Gestalten, die hierherkommen, also sollte es dann auch mehr Kontrollen geben.« Dass solche dunklen Gestalten offenbar längst am Bau des Flughafens beteiligt sind, scheint dort noch niemand bemerkt zu haben.

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