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Der NSU als Praktikantenjob
Kritischer Mammutbericht von LINKE und Grünen zu sächsischem Untersuchungsausschuss
Bei der Suche nach dem Terrortrio des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) hat das Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen »rundweg versagt«. Zu diesem Schluss kommen LINKE und Grüne nach Abschluss eines zweiten Untersuchungsausschusses zum NSU im Landtag. Dem Geheimdienst hätten konkrete Spuren und Informationen vorgelegen, durch deren professionelle Auswertung »die Mordserie des NSU vermutlich hätte verhindert werden können«, erklärte Kerstin Köditz, Obfrau der LINKEN in dem Gremium. Tatsächlich habe die Art, wie der Fall bearbeitet wurde, an einen »Praktikantenjob« erinnert. Da sich die Behörde auch nach Auffliegen des NSU im November 2011 als nicht reformierbar erwiesen habe, sei sie aufzulösen. Das ist eine von 46 Forderungen beider Fraktionen nach Ende der Ausschussarbeit.
Der Ausschuss war im April 2015 eingesetzt worden und hatte an die Arbeit eines seit März 2012 tätigen Vorgängergremiums angeknüpft. Die Tätigkeit war mit besonderen Erwartungen verknüpft, weil das aus Jena stammende Terrortrio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe ab 1998 in Sachsen im Untergrund lebte: zunächst zwei Jahre in Chemnitz, dann bis zum Auffliegen des NSU in Zwickau. In den 43 Sitzungen, bei denen 69 Zeugen vernommen wurden, befasste sich das Gremium mit der erfolglosen Fahndung, zudem mit einer Serie von Banküberfällen, mit denen das Trio seinen Lebensunterhalt bestritt, und schließlich mit den Umständen der »Selbstenttarnung« des NSU, in dessen Zug der letzte Unterschlupf in der Zwickauer Frühlingsstraße 26 in die Luft gejagt wurde.
LINKE und Grüne attestieren den Behörden vielfach Schlamperei und Versagen. Grünen-Innenexperte Valentin Lippmann sieht »organisierte Verantwortungslosigkeit, fehlende Kompetenz, Unbeständigkeit und Desinteresse« im Verfassungsschutz und Polizisten, die »viel zu sehr Dienst nach Vorschrift« schoben. Allerdings betont Köditz auch, man habe »keine Hinweise«, dass Sachsens Behörden von der Existenz eines Terrortrios wussten oder dass sie dieses gar »bewusst und aktiv unterstützt und gedeckt« hätten. Ob V-Leute des Verfassungsschutzes mehr wussten, könne man »nicht mit Sicherheit« sagen.
Der Ausschuss in Sachsen ist einer von bislang 13 im Bund und den Ländern, die sich mit dem Agieren von Politik und Behörden im Zusammenhang mit dem NSU und dessen Mordserie befassten. Bei dieser waren ab November 2000 neun griechisch- und türkischstämmige Männer sowie eine Polizistin getötet und drei Bombenanschläge verübt worden. Während die Ausschussarbeit in Sachsen wegen der bald ablaufenden Wahlperiode endet, dürften die Gremien in Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern noch bis 2021 tätig sein.
Die Bewertung der Erkenntnisse hängt in Sachsen wie schon 2014 extrem von der Rolle im Parlament ab. Die derzeitige Koalition aus CDU und SPD legte einen Abschlussbericht vor, der im Umfang bundesweit nur von dem der sächsischen Vorgängerkoalition aus CDU und FDP untertroffen wird. So mager die Seitenzahl ist, so milde fällt das Urteil aus: Man habe »keine nachweisbare Schuld der Behörden« in Sachsen festgestellt, sagte CDU-Ausschusschef Lars Rohwer. Im Verfassungsschutz habe es eine »inkongruente Auswertung« von Informationen gegeben; die Mängel seien aber inzwischen abgestellt.
Die Stellvertreterin Rohwers indes kommt zu gänzlich anderen Schlussfolgerungen: »Es hat den Anschein, als hätten wir in zwei unterschiedlichen Ausschüssen gesessen«, sagt Köditz mit Blick auf den abweichenden Bericht von LINKE und Grünen, der 1159 Seiten umfasst - mehr als jedes Resümee in einem der anderen Ausschüsse bundesweit. Der Umfang sei auch dem Umstand geschuldet, dass »niemand einfache Antworten gefunden hat«, wie Köditz betont. Das Dokument ist auf der Internetseite ihrer Fraktion nachzulesen.
Mit der Beratung des Berichts im Landtag im Juli ist die parlamentarische Aufarbeitung in Sachsen abgeschlossen. Köditz hält aber polizeiliche Nachermittlungen zu einigen Aspekten des NSU für notwendig. Die Akten und Unterlagen dürften auch weiterhin nicht gelöscht werden. Zudem verlangen LINKE und Grüne einen Entschädigungsfonds für die Hinterbliebenen der Opfer des NSU, wie er ihn Thüringen bereits existiert, sowie einen zentralen Gedenkort und ein Dokumentationszentrum in Sachsen. Und schließlich, sagt Köditz, gehöre »der NSU in die Lehrpläne aller Schulen in Sachsen«.
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