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Solidarität mit Streikenden: Bernie Sanders schickt Unterstützung

Die Kampagne des demokratischen Sozialisten nutzt ihre Daten, um in der Nähe wohnende Freiwillige zur Streikunterstützung zu mobilisieren

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 6 Min.

Wenn Politiker Gewerkschaften unterstützen sieht das oft so aus: Man gibt eine Solidaritätserklärung heraus oder erscheint vielleicht auch vor streikenden Arbeitern, auch in den USA. Joe Biden etwa hielt vor Bekanntgabe seiner Präsidentschaftskandidatur eine Rede vor streikenden Arbeitern einer Supermarktkette. Auch bei der offiziellen Bekanntgabe seiner Kandidatur Ende April inszenierte sich der Ex-Vizepräsident als Arbeiterfreund, trat in der Industriestadt Pittsburgh zusammen mit dem Präsident der United Stealworkers Gewerkschaft auf. »Ich entschuldige mich nicht: I am a union man«, erklärte der Demokrat. Doch abseits freundlicher öffentlicher Symbolpolitik veranstaltete Biden am Abend zuvor seine erste Spendenveranstaltung.

Anwesend auf dem vom Cheflobbyisten des Telekommunikationsriesen Comcast organisierten Treffen war auch Stephen Cozen. Der Chef der Anwaltskanzlei Cozen O‘Connor erklärte gegenüber dem Magazin Politico, man wolle zeigen »das es viele Leute mit viel Geld gebe«, die nur darauf warteten, an ihn spenden zu können. Ansonsten hilft Cozen mit seiner Kanzlei Arbeitgebern, auf Streiks zu »antworten« und »gewerkschaftliche Organisierung zu vermeiden«. Wenngleich andere Präsidentschaftskandidaten offenbar bisher den Kontakt mit Anwälten, die gezielt gegen Gewerkschaften vorgehen, sogenannte Union-Busting-Anwälte, vermieden haben: Die meisten US-Demokraten, die Präsidentschaftskandidaten werden wollen, beschränken sich darauf, auf Gewerkschaftskongressen leidenschaftliche Reden zu halten, und gesetzgeberische oder präsidiale Unterstützung im Falle eines Wahlsieges zu versprechen.

Kamala Harris, Kandidatin der Demokraten, etwa will die Bezahlung von Lehrern verbessern und per Erlass gleiche Bezahlung von Männern und Frauen bei Firmen, die Regierungsaufträge erhalten, durchsetzen. Elizabeth Warren, ebenfalls Demokratin, hat einen detaillierten Plan vorgelegt, nachdem nach deutschem sozialpartnerschaftlichem Vorbild, Vertreter von Beschäftigten Sitze im Aufsichtsrat großer Firmen bekommen sollen. Zudem will sie große Firmen und Vermögen über 50 Millionen stärker besteuern, um etwa eine beitragsfreie Kitabetreuung zu finanzieren. Und Bernie Sanders legte Ende Mai einen Vorschlag vor, nachdem Unternehmen regelmäßig einen Teil ihrer Aktien in einem Fond geben müssen, der von den Beschäftigten kontrolliert wird und so per Dividende die Mitarbeiter am Unternehmenserfolg beteiligt.

So wollen die Präsidentschaftskandidaten das »Endorsement«, die offizielle Unterstützung der Gewerkschaften, bekommen. Die ist wegen einem rückläufigen Organisierungsgrad und der gesellschaftlichen Individualisierung im Zeitalter Sozialer Medien weniger machtvoll als früher. Denn heute wählen Amerikas Arbeiter, wie die in Deutschland, nicht mehr automatisch den, der von den der Gewerkschaftsführung empfohlen wird. Trotzdem ist die Gewerkschaftsunterstützung öffentlich nicht nur symbolisch wichtig, weil Gewerkschaften in der Regel auch ganz praktisch für ihren Kandidaten im Haustürwahlkampf mobilisieren.

Sanders will eine soziale Bewegung aufbauen

Abseits der Reden und Policy Paper kämpft einer noch anders um die Unterstützung der Gewerkschaften und ihre Basis: Bernie Sanders. Der sieht seine Kampagne als soziale Bewegung, und zwar als eine, die nicht nur ihn unterstützt, sondern auch anders herum praktisch die unterstützt, deren Stimme er gewinnen will. Weil Sanders dieses Mal gewinnen will, ruft er jetzt auch wichtige Gewerkschaftsfunktionäre und -aktivisten an. 2016 hatte der linke Außenseiter das als nicht nötig erachtet, doch um die Vorbehalte gegen ihn in Teilen der Partei zu überwinden, braucht er zumindest die Unterstützung oder Nicht-Gegnerschaft eines Teils des Establishment der Demokraten und Gewerkschaften. Vor allem aber will er die Gewerkschaftsbasis für sich gewinnen.

Und er tut dies nicht nur, in dem er seine vielen Follower auf Social Media auf Streiks hinweist, sondern auch ganz praktisch. Über eine Millionen Menschen haben sich laut Angaben seiner Kampagne als Freiwillige registrieren lassen, die etwa beim Haustürwahlkampf mitmachen wollen oder bereit sind potenzielle Wähler per »Phonebanking« anzurufen. Die Zahl der tatsächlich Aktiven liegt zumindest derzeit noch deutlich niedriger. 70.000 Menschen nahmen laut Sanders Ende April an »Watch Parties« statt, in denen die Kampagne ihre Organisierungsstrategie und die »Bern«-App zur Wähler- und Unterstützermobilisierung vorstellte. Diese »Freiwilligenarmee« kann landesweit mobilisiert werden, auch für Themen, die nicht direkt mit der Kampagne in Verbindung stehen. Das hat die Sanders-Kampagne bereits mehrmals gezeigt.

Mitte Mai streikten im bevölkerungsreichsten US-Bundesstaat Kalifornien Tausende Angestellte der staatlichen University of California an 10 verschiedenen Orten gegen »Outsorcing«. Schon vorher hatte Sanders die organisierende Gewerkschaft unterstützt und sprach sich dann mit ihr ab. Einen Tag vorher schickte die Sanders-Kampagne eine E-Mail an ihre Unterstützer, die in örtlicher Nähe wohnen – möglich macht das die »Bern«-Datenbank der Kampagne. Weil in dieser auch die Wohnorte von Unterstützern gespeichert sind, können in der Nähe wohnender Bernie-Fans zu Streikposten gelotst werden. »Tausende Beschäftigte an der University of California werden morgen gegen Privatisierung streiken. Wir hoffen, du kannst sie an ihren Streikposten unterstützen«, hieß es in E-Mail. Teil war auch ein Link zur Terminzusage und die genaue Adresse des Streikpostens. Rund 1000 Freiwillige meldeten Interesse an oder sagten zu bei einem Streikposten mitdemonstrieren zu wollen. »An allen Streikposten« seien dann am Streiktag plötzlich Bernie-Unterstützer aufgetaucht, berichtete später ein Gewerkschaftssprecher gegenüber der »Huffington Post«.

Sanders Freiwillige unterstützen Protest

Zwei Wochen später streikten McDonalds-Angestellte in zehn amerikanischen Städten, um ihrer jahrelangen Forderung nach gewerkschaftlicher Organisierung, sowie einer Erhöhung des Mindestlohns auf 15 US-Dollar, Nachdruck zu verleihen und gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu protestieren. »An einem Streikposten mit zu protestieren ist ein großartiger Akt der Solidarität, um zu zeigen, das du ihren Kampf für ein besseres Leben unterstützt« ermuntert eine Mail die an Sanders-Unterstützer in Iowa. »Wir wollen nicht nur die Nominierung als Präsidentschaftskandidat gewinnen, sondern die Menschen mobilisieren bei wichtigen Kämpfen zu helfen, wo es um das Wohlergehen der Menschen vor Ort geht«, erklärte Clare Sandberg, Sanders Organizing-Direktorin, die Strategie hinterher.

Laut der Sanders Kampagne wurde in ähnlicher Weise bereits die Unterstützung von Mitarbeitern der Fluglinie Delta, von Beschäftigten beim Lokomotivhersteller Wabtec sowie beim Onlinehändler Amazon und den Arbeitern bei Disney, General Motors und Nissan mobilisiert. Auch die im Januar massenhaft streikenden Lehrer in Los Angeles bekamen Unterstützung. Gerade im Bildungsbereich gab es laut Daten des US-Arbeitsministeriums im letzten Jahre eine Rekordbeteiligung an Streiks.

Diese Woche streikten in Chicago die Doktoranden der University of Chicago. Die werden, wie an vielen anderen US-Universitäten, als billige Lehrkräfte ausgebeutet. Sie hatten im Oktober 2017 mehrheitlich für die Bildung einer Gewerkschaft gestimmt. Mehr als ein Jahr später weigert sich die Universität immer noch, mit den Vertretern der Beschäftigten zu verhandeln. Hunderte Doktoranden streikten deswegen am Mittwoch. Zusammen mit Unterstützern marschierte das akademische Proletariat vor dem Verwaltungsgebäude der Universität auf und sangt die amerikanische Gewerkschaftshymne »Solidarity forever« (zu Deutsch: »Solidarität für immer«). Auch hier mobilisierte die Kampagne des Senators von Vermont. Der war an der Universität in jungen Jahren zum Aktivisten und Organisator geworden.

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