Wohnraumversorgung sozialer machen

Initiativen und Politik diskutieren verschärfte Vorgaben für die landeseigenen Wohnungsunternehmen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag kommt gar nicht gut weg beim Initiativenforum Stadtpolitik Berlin am vergangenen Mittwochabend. Es ist die erste Zusammenkunft des neuen Formats im Abgeordnetenhaus, das Aktivisten untereinander besser vernetzen und auch den Kontakt zu Verwaltung und Politikern der Regierungsfraktionen verbessern soll. Thema ist die »Mietenentwicklung und Mitbestimmung bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften«, zur Debatte steht die anstehende Novellierung der Kooperationsvereinbarung von Senat und den sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften.

»Ein Jahr mussten wir uns mit der Gewobag auseinandersetzen, bis wir einen Nachbarschaftsraum nach den Wünschen unserer Bewohner einrichten konnten«, berichtet Marie Schubenz, Sprecherin des Mieterrats des Neuen Kreuzberger Zentrums (NKZ) am Kottbusser Tor. »Die wollten einfach ihr Standardkonzept umsetzen«, sagt sie. In der Folge wäre der Raum einfach nicht angenommen worden, ist sie überzeugt. Erst Anfang Mai hatte es Ärger mit der Gewobag am NKZ gegeben. Das Unternehmen verschickte Mieterhöhungen für die 295 Sozialwohnungen. Dabei habe es bei der Rekommunalisierung des Gebäuderiegels die mündliche Zusage gegeben, dass sich an den Mieten nichts ändere, so Schubenz. »Es gibt eine Aufforderung der Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE) an die Gewobag, sich mit uns zu einigen. Aber die sitzt das einfach aus«, sagt die Mietervertreterin.

Die Kooperationsvereinbarung 2017
  • In dem Vertrag werden Degewo, Gesobau, Gewobag, Howoge, Stadt und Land sowie WBM unter anderem zu einer sozialeren Mietenpolitik verpflichtet.
  • Landeseigene Wohnungsbaugesellschaften dürfen in der Regel die Mieten um maximal zwei Prozent jährlich anheben.
  • Bei Modernisierungen dürfen maximal sechs Prozent der Kosten auf die Miete umgelegt werden, der Mietspiegelwert darf in der Folge um höchstens zehn Prozent überschritten werden.
  • Die Nettokaltmiete darf dabei nicht mehr als 30 Prozent des Nettohaushaltseinkommens der Bewohner ausmachen. Allerdings müssen dabei auch Kriterien wie eine angemessene Wohnungsgröße beachtet werden.
  • 60 Prozent der wiedervermieteten und die Hälfte aller neu gebauten Wohnungen müssen an Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen gehen. nic

»Wir fordern keine Privilegien, sondern die Anerkennung eines Mitbestimmungsrechts«, sagt Sandrine Woinzeck vom Netzwerk »kommunal & selbstverwaltet Wohnen« (kusWo).

Auch der Charlottenburger Martin Hoffmann, der Mieterrat der Gewobag ist, fordert: »Wenn man es ernst meint mit der Mietermitbestimmung muss Verbindlichkeit in die Regeln.«

»Wir sollten uns die Gewobag für eine Anhörung mit Mietervertretern in den Stadtentwicklungsausschuss holen«, sagt Iris Spranger, Mietenexpertin der SPD-Fraktion.

Die mietenpolitische Sprecherin der Grünen, Katrin Schmidberger, verweist darauf, dass die sechs Wohnungsbaugesellschaften sich sehr unterschiedlich verhalten. »Wir müssen die Kontrolle ausbauen«, fordert sie. Die Wohnraumversorgung Berlin AöR als entsprechende Kontrollinstanz müsse ausgebaut werden.

Beim Thema Mitbestimmung fordert kusWo eine klare Systematisierung des nebeneinander agierenden Wildwuchses aus Mieterbeiräten in den einzelnen Siedlungen und Mieterräten im Gesamtunternehmen. Auch für den Streubestand sollen künftig lokale Mieterbeiräte eingeführt werden.

Die Initiative Mietenvolksentscheid fordert unter anderem geringere Mieterhöhungsspielräume und höhere Sozialquoten. Die Miete soll höchstens noch um ein Prozent pro Jahr steigen dürfen, die Mietbelastung dürfe nicht höher als 30 Prozent der Bruttowarm- statt Nettokaltmiete betragen. Energetische Sanierungen sollen nur erfolgen, wenn sie warmmietenneutral sind.

Die Überlegungen der Linksfraktion seien nicht sehr weit weg von diesen Forderungen, erklärt die Abgeordnete Gaby Gottwald (LINKE). Sie problematisiert die gravierenden Mietsteigerungen bei Wiedervermietung städtischer Wohnungen, die in der Vereinbarung bisher nicht geregelt sind. »Wir diskutieren dafür die ortsüblicher Vergleichsmiete minus 15 Prozent vor«, sagt Gottwald.

Jan Kuhnert, der Vorstand der Wohnraumversorgung Berlin ist, sammelt bis Ende Juli noch Vorschläge für die neue Kooperationsvereinbarung. Er hielte es für »sehr sinnvoll«, viele dieser Punkte in ein novelliertes Wohnraumversorgungsgesetz zu schreiben. »Das könnte eine langjährige Orientierung und für die Landesunternehmen auch über den Wahltag hinaus bieten«, so Kuhnert.

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