- Politik
- Haftbedingungen
Weniger Ausgang - mehr Kontrolle
Niedersachsen verschärft Regelwerk für Gefangene - Überwachung per Fußfessel
Sie haben ihre Freiheitsstrafe bereits abgesessen, müssen aber auf unbestimmte Zeit weiter im Gefängnis bleiben: Menschen, gegen die ein Gericht Sicherungsverwahrung angeordnet hat. Das kann geschehen, wenn zu befürchten ist, dass vom Täter nach wie vor eine Gefahr ausgeht, er sich etwa nach der Entlassung erneut sexuell an Kindern vergehen könnte.
Erst eine »günstige Prognose«, die beispielsweise nach einer Therapie gutachterlich belegt werden muss, kann eines Tages den Weg in die Freiheit ebnen. Bis dahin warten »Verwahrte« in Niedersachsen sehnsüchtig in jedem Monat auf den Tag, an dem sie einen von Justizbeamten begleiteten Ausgang unternehmen dürfen. Solche Ausflüge »nach draußen« will die SPD/CDU-Koalition in Niedersachsens Landtag drastisch reduzieren: Nur noch einmal im Vierteljahr soll eine »Ausführung« gestattet werden.
Die dazu nötige Gesetzesänderung wird zwar zunächst in den zuständigen Fachausschüssen diskutiert, doch es gilt als sicher, dass die Parlamentsmehrheit die Reduzierung des kleinen Stückchens Freiheit beschließen wird. In allen anderen Bundesländern, ausgenommen Bremen, werde bereits nach der Regel »Ausgang einmal im Quartal« verfahren, berichtete Justizministerin Barbara Havliza (CDU) am Dienstag dem Plenum in Hannover und begründete die bevorstehende Einschränkung: .Viele Sicherungsverwahrte konzentrierten sich allmonatlich so sehr allein auf die bevorstehende Ausführung, dass sie »interne Angebote«, etwa in puncto Therapie, vernachlässigten oder gar nicht annehmen.
Neben den Sicherungsverwahrten trifft das verschärfte Gesetz auch Gefangene, die wegen einer schweren Straftat im regulären Vollzug untergebracht sind. Sofern ihnen Ausgang gewährt wird, kann ihnen die Anstaltsleitung fortan das Anlegen einer elektronischen Fußfessel vorschreiben. Mit ihr lässt sich per Satellitenortung kontrollieren, ob der Träger eines solchen Gerätes Orte aufsucht, die er nicht betreten darf. Beispielsweise das Wohnviertel eines Menschen, dem er etwas Schlimmes angetan hat. Insofern diene die Fußfessel dem Opferschutz, sagte die Justizministerin. Auch beim unerlaubten Verlassen eines Ortes, etwa einen externen Arbeitsplatz, sende die Fessel Alarm, ergänzte Wiebke Osigus, Sprecherin der SPD-Fraktion für Belange des Justizvollzugs.
Bedenken gegen die Fußfessel haben die oppositionellen Grünen. Vor allem müsse geprüft werden, ob und inwieweit bei deren Anwendung der auch dem Häftling zustehende Datenschutz gewährleistet ist, betonte Fraktionschefin Anja Piel. Sie hatte schon im Frühjahr, als der Gesetzentwurf von der Regierung vorgestellt worden war, zu Bedenken gegeben: Der Wunsch nach mehr Sicherheit bei Ausgängen von Inhaftierten sei nachvollziehbar. Aber genau diese Sicherheit biete die elektronische Fußfessel nicht.
»Sie verhindert weder Straftaten noch das Übertreten bestimmter Grenzen und ist keinesfalls ein Allheilmittel«, sagte Piel seinerzeit. Das wisse auch Justizministerin Havliza. Dennoch versuche sie, »mit diesem Instrument Sicherheit vorzugaukeln«. Das sei unseriös. Wenn die Ministerin schon Geld ausgeben will, so Anja Piel, dann besser für den Ausbau und die konzeptionelle Weiterentwicklung des Täter-Opfer-Ausgleichs, die Straffälligenhilfe oder eine bessere Bezahlung der Justizvollzugsbediensteten.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.