Herkömmliche Sprachkurse reichen nicht

Viele zugewanderte Menschen brauchen eine besondere Förderung, um ein gutes Deutsch-Niveau zu erzielen

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

Probleme von zugewanderten Menschen mit dem Lesen und Schreiben gehen in Integrationskursen oft unter. Das ist die Erfahrung von Britta Marschke von der Spandauer Gesellschaft für interkulturelles Zusammenleben gGmbH (GIZ). »Wenn man schon in der Muttersprache nicht richtig lesen und schreiben kann, dann ist die Erwartung nicht realistisch, dass man in einem Integrationskurs gemeinsam mit zugewanderten Akademikern von einer deutschen Lehrerin Deutsch lernt.« Ihre Firma bietet darum spezielle Alphabetisierungskurse für Geflüchtete an, die entweder gar nicht alphabetisiert sind oder keine lateinischen Buchstaben kennen. Fünf solcher Kurse mit bis zu zwölf Teilnehmern gibt es in Berlin.

Dort lernen etwa afghanische Flüchtlingsfrauen, die in ihrem Herkunftsland keine Schule besuchen durften. »Es gibt in ihrer Muttersprache Farsi keine Artikel, kein Geschlecht, und das Verb steht immer am Satzende. Wenn man diese in der deutschen Sprache so ganz anderen grammatischen Strukturen einer Analphabetin erklären will, macht es Sinn, die Muttersprache mit einzubeziehen«, sagt Marschke. In den Alphabetisierungskursen für Flüchtlinge unterrichtet immer eine Lehrkraft, die sich mit den Teilnehmern in deren Muttersprache verständigen kann. Neben der Sprache lernen sie auch Grundtechniken, erzählt sie. »Wir haben Menschen, die noch nie einen Stift gehalten haben und die erst einmal lernen müssen, wie man Arbeitsblätter abheftet.«

Viele der Teilnehmer hätten bereits mehrere Monate lang in normalen Integrationskursen gesessen. »Aber das hat ihnen nichts gebracht. Sie wollen zwar Deutsch lernen, sind aber inzwischen frustriert, weil die Erfolge ausbleiben.«

So wird in den vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge finanzierten Deutschkursen beispielsweise erwartet, dass man nach 100 Unterrichtsstunden das ganze Alphabet beherrscht. Doch die Teilnehmer bringen unterschiedliche Voraussetzungen mit. Wer bereits Englisch spricht, und das sind nicht wenige Teilnehmer, beherrscht das vom ersten Tag an und ist eher unterfordert. Für Analphabeten ist der Zeitrahmen hingegen zu eng.

Finanziert werden die Alphabetisierungskurse vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, und das ist wesentlich dem Berliner SPD-Bundestagsabgeordneten Swen Schulz zu verdanken. »Als 2011 das erste Mal Zahlen über nicht alphabetisierte Menschen in Deutschland veröffentlicht wurden, war das ein echter Schock. Die Politik muss in den Blick nehmen, dass es einen Mangel an Grundbildung gibt und dagegenhalten«, sagt Schulz »nd«.

Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet, und das nicht ohne Grund. Denn ein Recht oder gar eine Pflicht zum Deutschlernen gibt es für Zuwanderer noch nicht lange. Erst 2005 hat das die rot-grüne Bundesregierung eingeführt. Bis dahin war ein Aufenthaltsrecht oft daran geknüpft, dass man sehr schnell seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreitet. Zeit zum Deutschlernen blieb da nicht, so dass viele ältere Zuwanderer bis heute kaum Deutsch sprechen.

In herkömmlichen Integrationskursen lernen Analphabeten neben promovierten Ingenieuren. Amtliche Zahlen zeigen, dass das in vielen Fällen zum Scheitern führt. So erreichen zwar 85 Prozent der Teilnehmer von Integrationskursen das Sprachniveau A2, das für einfache berufliche Tätigkeiten ausreicht. Auf das Niveau B1, das in der Berufsausbildung und in vielen Berufen erforderlich ist, kommen allerdings nur 52 Prozent in der vorgesehenen Zeit.

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