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  • Mietenwahnsinn in Berlin

Neues Gutachten zur Mietendeckel-Debatte

Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages zweifelt an Regelung

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE) schrieb nur ein einziges Wort im Kurznachrichtendienst Twitter. »Hintertür?« hieß es in einem Tweet. Dazu stellte die Linkspartei-Politikerin, die auch für den Bereich Wohnen bei Rot-Rot-Grün zuständig ist, zwei Sätze aus dem neuen Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags zum sogenannten Mietendeckel, über das zuerst die »Berliner Morgenpost« berichtet hatte. Der eine Satz lautet: »Eine Zuständigkeit der Länder für ein Verbot von Mieterhöhungen könnte sich aus der Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen ergeben.« Der andere: »Diese frühere konkurrierende Kompetenz steht seit der Föderalismusreform von 2006 allein den Ländern zu.« Berlins Stadtentwicklungssenatorin sieht dadurch offenbar in ihrer Ansicht bestärkt, dass es eben doch möglich ist, dass das Land Berlin die Mieten auf fünf Jahre einfriert, wie es in der vorvergangenen Woche in den Eckpunkten zum Mietendeckel von Rot-Rot-Grün angekündigt wurde.

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Das neue Gutachten nährt aber auch grundsätzliche Zweifel, ob der Senat überhaupt die Mieten regulieren darf. Denn der in Berlin geplante Mietendeckel ist nach Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zumindest rechtlich fragwürdig. »Nach wohl herrschender Meinung wurde das Zivilrecht durch den Bund bereits so umfassend geregelt, dass für landesrechtliche Regelungen auf diesem Gebiet kaum mehr Möglichkeiten bestehen«, heißt es in dem Gutachten. Und: »Die Regelungen des Mietpreisrechts sind daher grundsätzlich als abschließend anzusehen.« Außerdem sehe das Bürgerliche Gesetzbuch die Möglichkeit eines generellen Verbots von Mieterhöhungen für einen bestimmten Zeitraum nicht vor, so die Gutachter.

Vom Auftraggeber der Untersuchung, dem Bundestagsabgeordneten Hans Michelbach (CSU), wurde die wissenschaftliche Expertise als Absage an landesrechtliche Lösungen gewertet. »Ich kann den rot-rot-grünen Senat nur davor warnen, einen Verfassungskonflikt heraufzubeschwören«, schrieb der Obmann der Unionsfraktion im Finanzausschuss in einer Mitteilung. »Der Senat greift mit seinem Mietdeckel in abschließend geregelte Zuständigkeiten des Bundes ein.« Neubau günstiger Wohnungen, Bauunterhaltung und Modernisierung würden behindert. Das zentrale Problem seien nicht hohe Mieten, sondern zu wenig Wohnungen, so der CSU-Politiker. Dass als Lösung für die Wohnungsmisere nur Neubau helfe, betont auch die Opposition im Abgeordnetenhaus immer wieder.

Die Senatskoalition will den eingeschlagenen Weg indes weiter beschreiten und sogar darüber hinaus gehen. »Ich erwarte, dass sich die SPD bundesweit für einen Mietendeckel einsetzt«, sagte der Fraktionsvorsitzende der SPD im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, dem »Tagesspiegel«. Wohnraum sei Daseinsvorsorge und keine Ware. Der geplante Mietendeckel sei ein »berechtigter Eingriff des Staates in den Markt«. Die Mieten sollten fünf Jahre gedeckelt werden, »damit die Leute wieder Luft zum Atmen haben«. Mit dpa

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