Kein Platz für Schüler

Bis 2021/22 könnten in Berlin rund 20 000 Schulplätze fehlen

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach nd-Informationen fehlen bis zum Schuljahr 2021/22 in Berlin rund 20 000 Schulplätze. Der Mehrbedarf ergibt sich aus den Berechnungen des Senats über die prognostizierte Schülerzahl in den zwölf Bezirken und der durch die Schulbauoffensive geplanten neu zu schaffenden Kapazitäten.

Thorsten Metter, Pressesprecher der Senatsbildungsverwaltung, wollte die Zahl gegenüber »nd« nicht bestätigen. »Aktuelle und belastbare Zahlen werden voraussichtlich im vierten Quartal 2019 vorliegen und mit dem übernächsten Folgebericht zum Maßnahmen- und Finanzcontrolling veröffentlicht«, sagte Metter. Nichtsdestotrotz steht der Senat aufgrund des anhaltenden Zuzugs und des Bevölkerungswachstums beim Thema Schulbau unter enormen Druck.

»Es müssen weiterhin in jedem Fall sehr schnell und sehr viele Schulplätze geschaffen werden«, sagt Metter. »Bezirke und Land müssen hierfür alle Möglichkeiten ausschöpfen.«

Zusätzlich zum Neubau von Schulen müssten durch Erweiterungen und temporäre Schulgebäude schnell weitere Kapazitäten geschaffen werden, so Metter.

Den Landesvorsitzenden der Pädagogengewerkschaft GEW, Tom Erdmann, überrascht der errechnete Mehrbedarf an Schulplätzen nicht. »Wir haben in Berlin einen chronischen Mangel an Lehrkräften, Erzieherinnen und Erziehern, und der Schulneubau kommt nicht recht voran«, sagt Erdmann dem »nd«.

Er halte es nicht für wahrscheinlich, dass die vom Senat angestrebte Intensivierung des Schulbaus dem Bedarf an Schulplätzen stand halten kann. »Ich erlebe kaum Neueröffnungen und höre immer wieder von Verzögerungen bei Bauvorhaben«, klagt Erdmann. Der GEW-Chef geht davon aus, dass der Senat in den kommenden Schuljahren aufgrund der Notsituation weiter auf Verdichtung im Klassenzimmer setzen wird.

»In Berlins kinderreichstem Bezirk Pankow sind Klassengrößen von bis zu 30 Schülerinnen und Schülern schon jetzt keine Seltenheit«, sagt Erdmann. »Derartig vollgestopfte Klassen sind überaus schädlich für das schulische Lern- und Arbeitsklima.« Tatsächlich hat Pankow schwer mit dem akuten Mangel an Schulplätzen zu kämpfen. Schulstadtrat Torsten Kühne (CDU) rechnet derzeit mit einem Bedarf von zusätzlichen 12 000 Schulplätzen für seinen Bezirk. Diese Planung orientiert sich an der Bevölkerungsentwicklung bis 2030, die für Pankow eine Prognose von bis zu 460 000 Einwohnern veranschlagt.

»Das Hauptinteresse des Bezirksamtes besteht heute darin, so schnell wie möglich die neuen Schulen zu bauen«, heißt es in einer Stellungnahme von Schulstadtrat Kühne. So sehen die Planungen vor, in den kommenden Jahren 24 neue Schulen zu bauen. Bis 2022 sollen vier der neuen Schulen fertig sein. Da der Neubau einer Schule seine Zeit braucht, setzt Pankow wie andere stark vom Schulplatzmangel betroffene Bezirke auf temporäre Schulgebäude in Containerbauweise - sogenannte »fliegende Klassenzimmer«. Auch haben einige Schulen bereits Modulare Ergänzungsbauten bekommen, weitere sind in Planung.

Wie dramatisch sich die Schulplatzversorgung in Pankow insbesondere im Bereich der Oberschulen darstellt, hat der Fall einer Familie aus Prenzlauer Berg deutlich gemacht. Ein Vater hatte sich Mitte Juni mit einer Petition an Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) gewandt, da das Schulamt Pankow seine Tochter an ein Gymnasium in Grunewald schicken will. Ein täglicher Schulweg mit Bus und Bahn von zwei Stunden sei für eine Zwölfjährige nicht zumutbar, heißt es in der Petition des Vaters.

Schulstadtrat Kühne verweist in dem Fall auf die geltende Rechtsprechung. »Rechtlich gesehen ist im Oberschulbereich ganz Berlin als ein Einschulungsbereich zu betrachten«, schreibt Kühne in seiner Stellungnahme. Dem Bezirksamt sei durchaus bewusst, dass Schulwege von teilweise deutlich über zehn Kilometern von der Wohnadresse die Pankower Familien vor Probleme stellen. »Ein Schulweg von bis zu 60 Minuten stellt nach ständiger Rechtsprechung allerdings einen altersangemessenen Weg dar«, so Kühne.

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