• Kultur
  • Serie: »Stranger Things«

Sowjetmenschen und andere Monster

Einschalten lohnt nicht: Selten so ein schwacher Plot wie in der dritten Staffel »Stranger Things«

  • Lee Wiegand
  • Lesedauer: 3 Min.

Hawkins, Indiana, ist genau so, wie man sich ein durchschnittliches, borniertes Kleinstädtchen in den Vereinigten Staaten der 1980er Jahre vorstellt. Selbstverständlich ist Hawkins fiktiv, so kann es besonders borniert sein, und US-Bürger wie Nicht-US-Bürger gleichermaßen können sagen: Ja, es gibt Gegenden bei uns bzw. bei denen, wo es genau so zugeht.

Ausgerechnet Hawkins ist der Mittelpunkt übernatürlicher Phänomene, hinter denen bislang die eigene Regierung gesteckt hatte. Ein kurzer Rückblick: In der ersten Staffel von »Stranger Things« verschwindet der Junge Will (Noah Schnapp) nach einer nerdigen Dungeons-and-Dragons-Runde in einer düsteren Parallelwelt. Seine alleinerziehende Mutter (Winona Ryder) ist verzweifelt, und seine besten Freunde Mike (Finn Wolfhard), Dustin (Gaten Matarazzo) und Lucas (Caleb McLaughlin) finden Ersatz in Gestalt von Eleven (Millie Bobby Brown), einem Mädchen mit übernatürlichen Kräften. Sheriff Hopper (David Harbour) und das Highschool-Trio Nancy (Natalia Dyer), Jonathan (Charlie Heaton) und Steve (Joe Keery) machen den Irrsinn komplett.

Es stellt sich nun heraus, die US-Regierung beziehungsweise das uns allen als Hort des ultimativen Bösen bekannte US-Energieministerium züchtete nicht nur Menschen mit Superkräften, sondern öffnete aus Gründen, die nie so genau klar werden, auch ein Portal in eine Parallelwelt. Das dort lebende Supermonster ist von Natur aus böse und tut dementsprechend böse Dinge, zum Beispiel Leute entführen, um irgendwie die Macht an sich zu reißen. Ein Plot, der wirklich sehr schwach ist.

In den ersten beiden Staffeln gelang es den Protagonisten stets mit mehr Glück als Verstand sowohl die Regierung als auch das Monster zu besiegen, aber nie komplett, damit man sich für die folgende Staffel nicht allzu viel Neues ausdenken musste. Auch in der dritten Staffel stehen wir als Zuschauer demselben Monster gegenüber, lediglich der menschliche Gegner ist 80er-gemäß um einiges schrecklicher geworden: Es ist die sowjetische Regierung!

Diese hat es unerklärlicherweise geschafft, innerhalb eines Jahres von der ganzen Stadt vollkommen unbemerkt ein riesiges, als Einkaufsmall getarntes, unterirdisches Forschungslabor zu bauen, um, aus welchen Gründen auch immer, ebenfalls daran zu arbeiten, das Portal in die finstere Parallelwelt zu öffnen.

Monster sind eben Monster, egal ob sie aus der Unterwelt oder aus Moskau kommen, und Monster sind eben böse. Warum also sollte jemand nachfragen, warum sie tun, was sie tun, müssen sich zumindest die Showrunner von »Stranger Things« gefragt haben.

Auf die in der zweiten Staffel angeteasten anderen Jugendlichen mit übernatürlichen Kräften wird nicht weiter eingegangen, obwohl das wahrscheinlich die interessantere Alternative für so etwas wie eine stringente Handlung gewesen wäre, statt auf eine Form von Antikommunismus zu setzen, die bereits in den 80ern wenig Sinn ergeben hat.

Selbstverständlich gelingt es auch diesmal, das Böse zu besiegen, im Interesse der Zuschauer hoffentlich endgültig. Denn eine vierte Staffel ohne Handlung, die sich lediglich auf eine nostalgische 80er-Jahre-Ästhetik und unzählige Referenzen auf andere Produktionen stützt, überlebt Netflix nicht. Es wäre ohnehin schon ein Wunder, wenn es nach der aktuellen Staffel keine Abbestellungen hagelt. Bei vielen Kritikern ist die Gunst zumindest ein bisschen gefallen, das große Onlineportal Rotten Tomatoes (dt. Verfaulte Tomaten) bewertet die dritte Staffel merkbar schlechter als die ersten beiden.

Hervorzuheben bleibt lediglich der ausgesprochen gute Soundtrack, aber das ist auch schon alles. Denn die fortwährende Popularität bekannter 80er-Smash-Hits ist nicht gerade auf Netflix oder »Stranger Things« zurückzuführen, genauso wenig wie die unweigerliche Rückkehr des Kommunismus durch platte Attitüden und US-Serien wie »Stranger Things« oder »Chernobyl« aufzuhalten ist.

PS: Wer für die deutsche Synchronisation verantwortlich ist, sollte umgehend und für alle Zeit weggesperrt werden.

»Stranger Things«, bei Netflix; insgesamt drei Staffeln verfügbar.

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