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Immer wieder Höcke
Auch mitten im Wahlkampf geht der Machtkampf in der AfD weiter
Sachsen, Brandenburg und Thüringen: In den nächsten Monaten stehen für die AfD wichtige Landtagswahlen an. Schließlich bilden weite Teile Ostdeutschlands die bedeutendste Hochburg der Partei. Im parteiinternen Machtkampf scheint Rücksichtnahme auf wahlkämpfende Landesverbände allerdings weniger eine Rolle zu spielen. Statt Zurückhaltung zu üben, erreichte der Streit am Mittwoch einen neuen Höhepunkt. Und wie so oft in den letzten Jahren steht wieder einer der bekanntesten Parteimitglieder im Mittelpunkt: Björn Höcke.
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In einem Brief greifen 100 Parteifunktionäre den Thüringer AfD-Landeschef an. Dieser betreibe einen »exzessiv zur Schau gestellten Personenkult«, den laut Unterzeichnern eine Mehrheit der Parteimitglieder ablehne. Höcke sei nicht legitimiert, »für die AfD als Gesamtpartei zu sprechen«. Stattdessen solle er sich auf seinen Aufgabenbereich konzentrieren und die Partei nicht weiter spalten.
Anlass für den »Appell« ist eine Rede Höckes vergangenen Sonnabend beim jährlichen »Kyffhäusertreffen« des völkisch-nationalistischen »Flügels« im thüringischen Leinefelde. Vor 800 Anhängern warf der 47-Jährige dem Bundesvorstand vor, dieser würde die Parteigruppierung schlechter als andere Strömungen behandeln. Unter dem Jubel seiner Unterstützer versprach Höcke, dieser Vorstand würde in dieser Zusammensetzung auf dem Bundesparteitag Ende November nicht wiedergewählt werden.
Höcke benannte in seiner Rede zwar niemanden direkt, dennoch ist klar, wem das »Flügel«-Aushängeschild gemeint hat. Nicht wenige Namen finden sich unter dem Brief vom Mittwoch wieder, darunter die drei Parteivize Albrecht Glaser, Kay Gottschalk und Georg Pazderski. Besonders Letzterer ist seit Jahren als Höckes Gegenspieler bekannt, zumal der Berliner AfD-Landeschef noch eine Rechnung mit dem »Flügel« offen hat.
Schließlich war es der völkische Zusammenschluss, der vor zwei Jahren Pazderskis Wahl zum Bundesvorsitzenden torpedierte, indem das Höcke-Lager auf dem Parteitag in Hannover überraschend Doris von Sayn-Wittgenstein ins Rennen schickte. Weil damals keiner der beiden Kandidaten eine Mehrheit bekam, trat Alexander Gauland als Konsenskandidat auf den Plan und wurde schließlich neben Jörg Meuthen zum Co-Vorsitzenden gewählt.
Interessant an dem Brief der 100 Funktionäre ist, was unerwähnt bleibt: Zwar betonen die Verfasser, die AfD sei und werde »keine Björn-Höcke-Partei«, über mögliche inhaltliche Unterschiede zum »Flügel« schweigen die Unterstützer aber. Letztlich bleibt das Papier vorerst nichts weiter als eine folgenlose Stellungnahme. Höcke wird weder ein Rückzug nahegelegt, noch wird ein Parteiausschlussverfahren gegen den Thüringer Landeschef gefordert. Vermutlich wissen Höckes Kritiker, dass solche Forderungen keine Aussicht auf Erfolg hätten.
Auffällig ist die Zurückhaltung der vordersten Parteireihe: Meuthen erklärte am Mittwoch, der Aufruf wundere ihn nicht, auch er teile die Kritik am Personenkult, der nicht zur AfD passe. Dass Meuthens Name unter dem Papier fehlt, dürfte auch damit zusammenhängen, dass seine Wiederwahl zum Parteichef im November auch von der Unterstützung durch den »Flügel« abhängt. Co-Chef Gauland, der sich in der Vergangenheit im Zweifel wiederholt schützend vor Höcke stellte, übte sogar Kritik am »Appell«. Diesen habe er nicht unterschrieben, »weil ich ihn in Wahlkampfzeiten für ähnlich unangebracht halte« wie Höckes Rede auf dem »Kyffhäusertreffen«. Auch die Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Alice Weidel, eigentlich eine vehemente Kritikerin Höckes, mahnte via Twitter, dass das Letzte, was die Partei im Wahlkampf brauche, »eine öffentliche Schlammschlacht« sei. Stattdessen müssten die Probleme intern gelöst werden.
Dass der Bundesvorstand mitunter selbst unnötig Öl ins Feuer gießt, zeigt sich aktuell am Umgang der Parteispitze mit den Problemen im nordrhein-westfälischen Landesverband. Dieser wird seit dem Parteitag am Sonnabend nur noch von einem drei- statt regulär zwölfköpfigen Vorstand geführt, allesamt Anhänger des »Flügels«. Dieses Trio müsse bis zum 6. Oktober zurücktreten und eine Neuwahl des gesamten Landesvorstands ansetzen, sonst werde ein Amtsenthebungsverfahren in die Wege geleitet. Die Pointe ist: Im Dezember stünde ohnehin die reguläre Neuwahl des Gremiums an. Mögliche Verfahren vor den Schiedsgerichten der Partei wären zu dem Zeitpunkt dagegen noch nicht entschieden.
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