- Wirtschaft und Umwelt
- Fairer Handel
»Fair« ist nicht automatisch »bio«
Starkes Wachstum beim alternativen Handel - doch er bleibt ein Nischenmarkt
Die Zahlen beeindrucken nur auf den ersten Blick: 1,7 Milliarden Euro gaben die Verbraucher im Geschäftsjahr 2018 in Deutschland für Produkte aus Fairem Handel aus. Gegenüber dem Vorjahr entspricht dies einem Zuwachs von 15 Prozent. In den letzten fünf Jahren hat sich der Umsatz damit mehr als verdoppelt.
Doch man kann die Entwicklung auch anders sehen: »Weiterhin sind geschätzte 99 Prozent des Handels nicht fair«, sagte Manuel Blendin, Geschäftsführer des Forums Fairer Handel, bei der Jahrespressekonferenz am Mittwoch in Berlin. Pro Kopf werden gerade einmal rund 20 Euro für faire Lebensmittel, Textilien und Handwerksprodukte ausgegeben.
Trotz wachsenden Umsatzes und weiterhin günstiger Aussichten ist sich die Fair-Handel-Szene nicht grün. Kritiker aus dem Biolandbau fragen beispielsweise nach der Umweltbilanz, wenn »faire« Öko-Kartoffeln oder Basilikum aus dem fernen Ägypten im Container per Frachter über Abertausende Seemeilen nach Hamburg geschippert werden. Slow-Food-Genießer setzen ohnehin aus kulinarischen Gründen lieber auf lokale Kost. Und in der Eine-Welt-Bewegung würde man gerne den Rohstoffhandel mit Entwicklungs- und Schwellenländern drosseln. Denn nachhaltige Lösungen sieht man eher in der Produktion vor Ort.
Ein Vorzeigeprojekt ist die Fairafric GmbH aus München. Seit 2016 wird Schokolade in Ghana produziert, und in Deutschland in fertigen Tafeln verkauft. Vor Ort entstehen so Jobs in der Produktion mit »mittel-hohen Einkommen«. Fairafric arbeitet zudem mit Hunderten Farmern zusammen. Statt wie bisher etwa 2000 Dollar durch den Verkauf einer Tonne Fairtrade-Kakao verbleiben so 10 000 Dollar Kaufkraft in Ghana, rechnet Firmengründer Hendrik Reimers vor.
Hierzulande schwelt außerdem der Streit zwischen den Akteuren, ob Discounter wie Lidl oder Aldi faire Waren anbieten sollen. Hersteller wie Rapunzel lehnen die Zusammenarbeit prinzipiell ab, und für viele Kunden gelten solche Großkonzerne an sich schon als unfair.
Mit 1,36 Milliarden Euro trug das Fairtrade-Produktsiegel den größten Anteil zum Gesamtumsatz im Fairen Handel bei. Mit 85 Prozent Bekanntheit ist Fairtrade sogar inzwischen das bekannteste Nachhaltigkeitssiegel am Markt. Es gibt jedoch Kritik, die Kriterien für die Vergabe des Siegels seien zu weich. Außerdem stört viele, dass die Fairtrade-Organisation in großem Stil nicht allein mit großen Handelsketten, sondern auch mit Unternehmen wie Nestlé oder Blume 2000 kooperiert.
Eine oft höhere Messlatte legen Fair-Handels-Importeure wie GEPA, El-Puente und DWP an, die zudem eigene Produkte auf den Markt bringen. Sie vertrieben im vergangenen Jahr Waren im Wert von 209 Millionen Euro. In den weitgehend ehrenamtlich betriebenen Weltläden wurden Waren im Wert von 78 Millionen Euro verkauft. Diese »Fachgeschäfte des Fairen Handels«, deren Produkte oft auch ein Öko-Zertifikat schmückt, geraten ihrerseits unter Druck von den großen Bio-Supermarktketten wie Alnatura oder Dennree. Doch wenn es um Bezahlung und Arbeitszeit nach Tarif sowie um die Mitbestimmung geht, erweist sich diese Branche »als sehr abweisend«, kritisiert Orhan Akman, Leiter des ver.di-Bundesfachbereichs Einzelhandel.
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Traditionell zielt der Faire Handel auf bessere Lebensbedingungen im Globalen Süden. Inzwischen meldet sich der Globale Norden lauter zu Wort. »Auch hierzulande kämpfen angesichts des Preisdrucks, den die großen Einzelhandelskonzerne erzeugen, kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe um ihre Existenz«, mahnte Blendin. 2018 wurden fair gehandelte Agrarerzeugnisse aus Europa im Wert von 113 Millionen Euro bundesweit verkauft.
»Fairer Handel heißt für mich, von der Arbeit, die ich liebe, auch vernünftig leben zu können«, sagte Landwirt Jakob Sichler. Dazu gehöre vor allem Planungssicherheit. Er liefert seine Milch an die genossenschaftliche Molkerei Berchtesgadener Land und erhält dafür überdurchschnittliche Preise. Die Milch aus Südbayern steht mit dem »Naturland Fair Zeichen« dann im Kühlregal, auch in Supermärkten im hohen Norden - nach tausend Kilometer Lkw-Fahrt.
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