Entschädigungsanspruch nach Gesundheitsschäden wegen DDR-Flucht

56-jähriger Mann kann nach Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes Antrag auf Versorgung stellen

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Leipzig. Weil DDR-Grenzsicherungsanlagen rechtsstaatswidrig waren, können Flüchtlinge aus der DDR für gesundheitliche Schäden durch den Grenzübertritt grundsätzlich entschädigt werden. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht am Mittwoch in Leipzig (Az. BVerwG 8 C 1.19).

Der Senat stellte zudem fest, dass sich die Grenzsicherungsanlagen der DDR gegen Einzelpersonen richteten - etwa wenn Minen explodierten, sich die Flüchtenden am Stacheldraht verletzten oder von Grenzposten verfolgt wurden. Damit widersprach das Gericht dem vorhergehenden Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam, das eine Forderung nach Rehabilitierung abgelehnt hatte. Die Begründung lautete dort, dass die Grenzsicherung der DDR sich nicht individuell gegen den Flüchtenden, sondern gegen die gesamte DDR-Bevölkerung gerichtet habe.

»Die Grenzsicherungsanlagen der DDR mögen zwar gegen alle gerichtet gewesen sein, aber die Anlagen waren hoheitliche Maßnahmen, die sich konkret und individuell gegen den Betroffenen, hier den Kläger, richteten«, begründete die Vorsitzende Richterin Ulla Held-Daab dagegen am Mittwoch das Urteil. »Die Gewaltanwendung gegen einen Flüchtenden ist eine sehr konkrete individuelle Maßnahme«, sagte Held-Daab während der Verhandlung. Sie betonte aber auch, dass es um konkrete Maßnahmen ginge, welche bei der Flucht ausgelöst wurden. »Wir haben Schwierigkeiten, schon im Betreten des Grenzstreifens diese Verfolgung zu sehen«, so Held-Daab.

Geklagt hatte ein heute 56 Jahre alter Mann aus Berlin, der durch seine Flucht am 20. Dezember 1988 nach West-Berlin traumatisiert wurde und eine Entschädigung fordert. Der damals 26-Jährige war gemeinsam mit seinem Bruder in der nebligen Nacht über die Grenzanlage bei Teltow-Sigridshorst am südwestlichen Stadtrand von Berlin geflohen. »Die Brüder haben mehrere Stunden in geduckter Haltung im Schlamm im Sperrgebiet gewartet«, beschrieb der Anwalt des Klägers.

In den frühen Morgenstunden hätten sie Metallgitterzäune mit Hilfe von Bolzenschneidern überwunden. Mit Leitern seien beide dann über weitere Zäune geklettert. Zum Schutz vor dem Stacheldraht hatten sie sich demnach mehrere Lagen Kleidung übergezogen. Wegen des Nebels seien sie zunächst nicht entdeckt worden. Doch der damals 26-Jährige blieb mit seiner Kleidung im letzten Zaun der Grenzanlage hängen. Zwei Wachen hätten ihn mit Maschinengewehren bedroht, jedoch nicht geschossen. Auch Minen seien explodiert, sagte der Verteidiger.

Die seelischen Auswirkungen forderten seinen Mandanten bis heute heraus: Er sei misstrauisch, reizbar, ihn überkämen plötzlich Wutanfälle, er habe Alpträume. Darum fordert er für den früheren Flüchtling eine Rehabilitierung auch wegen der psychischen Erkrankung.

»Der Kläger hat schlüssig dargestellt, dass die Anlagen zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung geführt haben können«, sagte Vorsitzende Richterin Held-Daab. Mit der Entscheidung des Bundesgerichts kann der Mann nun Anträge auf eine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung bei Versorgungsämtern stellen, in der Folge könnten etwa Behandlungskosten übernommen werden. dpa/nd

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