Oranienplatz: Die Zelte sind zurück

Unter dem Motto »Brücken Bauen« wollen geflüchtete Frauen ihre Isolation durchbrechen

  • Julian Seeberger
  • Lesedauer: 3 Min.

»In den Lagern ist es kaum einen Tag gut auszuhalten, schon gar keine ganze Woche. Diese Orte machen dich schwach und traurig, ständig fühlt man sich niedergeschlagen.« So schildert Olivia Babirye ihre Situation. Die 36-Jährige floh vor mehreren Jahren aus Uganda nach Deutschland. Sorgen und Ernst liegen in ihrem Blick, sie schlägt die Augen nieder. »In diesen Tagen jedoch fühlen wir uns glücklich und zufrieden«, ergänzt die neben ihr sitzende Jane Wangari. Die 32-Jährige musste aus Kenia fliehen. »So viele Menschen sind zu uns gekommen und haben sich eingebracht und die unterstützenden Strukturen sind großartig. Hier können wir tatsächlich einmal entspannen, es ist endlich fast ein wenig wie Urlaub.« Hier - das ist der Oranienplatz in Kreuzberg, denn: Die Protestzelte von Geflüchteten sind auf diesem Platz zurück. Zumindest für dieses Wochenende.

Bereits von 2012 bis 2014 hatte hier ein Protestcamp international für Schlagzeilen gesorgt. Damals hatten mehrere Hundert Flüchtlinge ein Bleiberecht sowie Änderungen im Asylrecht erwirken wollen. Immer wieder kam es zu spektakulären Aktionen wie Hungerstreiks und Baumbesetzungen. Am Ende jedoch wurde das Camp polizeilich geräumt. Als »Symbol des Widerstandes« bezeichnen die Aktivistinnen der Gruppe Women in Exile den Oranienplatz deshalb in ihrer Pressemitteilung zum aktuellen Camp. »Zu jener Zeit war die feministische Perspektive aber nicht sehr präsent«, bemängelt die Gruppe, »jetzt kommen wir zurück, um die Situation von geflüchteten Frauen und ihren Kämpfen sichtbar zu machen.«

Seitdem sie sich 2002 in Brandenburg zusammenschloss, hat die Gruppe geflüchteter Frauen viel bewegt und sich zu einem bundesweiten Netzwerk entwickelt. So sind etwa auch die weiblichen und lesbischen Aktivistinnen von FLIT Solidarity Africa aus München Teil der Vernetzung, zu denen Olivia Babirye gehört. Gemeinsam ist ihnen die Erfahrung, dass es notwendig ist, sich als Frauen selbst zu organisieren. »In der gesellschaftlichen Wahrnehmung prägen besonders männliche Geflüchtete das Bild«, erklärt Jane Wangari. »In gemischten Gruppen ist es aber häufig so, dass Männer die Führung übernehmen, während es für unsere Probleme und Anliegen wenig Raum gibt.«

Doch auch mit feministischen Gruppen ohne migrantischen Hintergrund sei verbindliche Zusammenarbeit nicht immer leicht. »Wir sind uns der Gräben zwischen Illegalisierten, Flüchtlingen, Migrant*innen und deutschen Staatsbürger*innen bewusst. Gräben, die zu Diskriminierung, Rassismus, Sexismus, Privilegien und Vorurteilen in der Gesellschaft führen«, erklären die Frauen in der Ankündigung des Camps. »Obwohl die meisten unserer Kämpfe verbunden sind, ist es sehr schwer, echte Solidarität zu erleben.« Das resultiere etwa aus der vorurteilsbehafteten Kategorie Flüchtling einerseits und gewöhnungsbedürftigen feministischen Ideologien in Europa andererseits. »Brücken Bauen-Festival« nennen die Aktivistinnen ihren Protest in Kreuzberg deshalb - ein Versuch auf andere feministische Organisationen zuzugehen, sich auszutauschen und nachhaltig solidarische Strukturen aufzubauen.

In den Flüchtlingslagern indes fühlen sich die Frauen im Alltag isoliert, und wie vor der Gesellschaft versteckt, sagen sie. »Die Umgebung dort ist kräftezehrend, man hat gleichzeitig keinerlei Privatsphäre und fühlt sich dennoch häufig einsam.« Während sexuelle Gewalt und Belästigung einerseits Probleme sind, erfahren die Frauen gleichzeitig rassistische Ausgrenzung und leiden unter der stetigen Verschärfung der Asylgesetze - hinzu kommen in vielen Fällen Traumatisierung und Depression. Von »doppelter Diskriminierung« spricht die Gruppe deshalb.

Entsprechend groß ist deshalb die Erleichterung, diesem Alltag zu entfliehen. »Die Möglichkeit, hier im öffentlichen Raum zusammenkommen, gibt uns das Gefühl stark zu sein, und wir hoffen, dass unsere Stimmen Gehör finden. Auf dass wir es gemeinsamen schaffen, Grenzen zu durchbrechen und Brücken zu bauen«, erklären Olivia Babirye und Jane Wangari zum Ende des Gesprächs.

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