»Dass die Polizisten einfach abgehauen sind, war nicht cool«

Klimaaktivist Felix K.* wurde bei den »Ende Gelände«-Protesten von der Polizei verletzt. An Aktionen würde er trotzdem noch teilnehmen - wenn auch auf andere Weise

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 4 Min.
Felix K., unmittelbar nachdem er bei einer Protestaktion beim Tagebau Garzweiler Polizeigewalt erlebte.
Felix K., unmittelbar nachdem er bei einer Protestaktion beim Tagebau Garzweiler Polizeigewalt erlebte.

Was ist Ihnen beim Protest von »Ende Gelände« widerfahren?

Der Aktivist

Felix K.* ist 35 Jahre alt und Mathematiker. Im Juni nahm er an den »Ende Gelände«-Protesten im nordrhein-westfälischen Braunkohletagebau Garzweiler teil und wurde dabei von der Polizei verletzt.

Ich war mit meiner Freundin an dem Samstag im Goldenen Finger, wir sind bei der Demonstration mit »Fridays for Future« mitgegangen und waren dann am Rand der Grube des Tagebaus Garzweiler. Die Polizei hat uns dort die ganze Zeit begleitet. Irgendwann wurde unter den Demonstranten das Signal verbreitet, dass wir in die Grube gehen. Ich blieb dann ein bisschen zurück und ging nicht gleich mit der Masse in die Grube. Viele waren schon unten, und ich versuchte dann auch, zur Abbruchkante zu kommen, was mir gelang.

Der Fingertaktik ist die Strategie der Demonstranten, in mehreren Zügen mit jeweils Hunderten Menschen verbotenerweise in die Tagebaugrube zu laufen. Wie reagierte die Polizei?

Ich wurde ein bisschen von Polizisten aufgehalten, mal in Brennnesseln, mal in Disteln geworfen. Als ich dann aber bei der Abbruchkante war, sah ich, dass ich die Chance mehr oder weniger übersehen habe, in die Grube zu gehen. An der Stelle, an der ich war, war es viel zu steil und man hätte sich dort wehgetan beim Runterlaufen. Als ich mich zurückziehen wollte, ist ein Polizist mit ausgestreckter Hand auf mich zugesprungen und hat mir ins Gesicht geschlagen.

Trug der Polizist Handschuhe?

Ja, genau.

Wissen Sie, ob das zugelassene Handschuhe waren? Polizisten stehen immer wieder in der Kritik, verbotene Handschuhe, etwa mit eingearbeitetem Quarzsand, zu tragen. Diese führen zu größeren Verletzungen.

Nein. Aber dieser Handschuh war gepanzert, das haben mir andere Aktivisten erzählt, die den Schlag beobachtet haben.

War für die Polizei erkennbar, dass Sie im Grunde kehrtmachten und von dort weg wollten?

Meiner Meinung nach müsste es erkennbar gewesen sein. Die Polizisten hatten vorher schon auf mich eingeredet. Sie sagten »Zurück, das ist zu gefährlich« und so weiter. Ich bin dann entsprechend zurück, mehr oder weniger aus eigener Überzeugung. Ich sagte auch zu den Polizisten, dass ich es einsehe, dass es hier zu steil ist und ich zurückgehe.

Wie ging es Ihnen nach dem Schlag?

Ich war kurz bewusstlos, dann hörte ich Polizisten miteinander sprechen. Den genauen Wortlaut kann ich nicht mehr wiedergeben. Aber ich bekam auf jeden Fall mit, wie sich Leute um mich versammelten. Es waren auch einige Aktivisten dabei. Ein Polizist sagte: »Dem geht es schon einigermaßen, der steht schon wieder auf«, dann gingen sie. Aktivisten halfen mir auf die Beine und brachten mich zum Straßenrand, wo ich von Passanten erste Hilfe bekam. Dass die Polizisten einfach abgehauen sind, war eher nicht so cool.

Wann haben Sie das Ausmaß der Verletzungen gespürt?

Ich wurde von Passanten, die nichts mit »Ende Gelände« zu tun hatten, auf das Camp gefahren und zur Notaufnahme ins Sanitäter-Zelt gebracht. Wir gingen erst einmal davon aus, dass alles nicht so schlimm ist. Ich merkte dann irgendwann, dass Blut aus meiner Nase läuft. Und als ich mich geschnäuzt habe, habe ich mein Auge aufgeblasen. Da bin ich schnell zurück ins Sanitäter-Zelt, wo sie sagten, dass das ein Bruch sei und dann bin ich sofort ins Krankenhaus.

Mittlerweile sind mehr als sechs Wochen vergangen. Welche Verletzungen wurden bei Ihnen festgestellt?

Ein Augenhöhlenbruch, Orbitabodenfraktur heißt das. Und die Nerven sind sehr traumatisiert. Ich habe noch immer große Schmerzen an den Zähnen. Aber die Ärzte sagen, die Zähne sind noch kälteempfindlich, daher besteht Hoffnung, dass der Nerv überlebt.

Haben Sie gegen die Polizei eine Anzeige gestellt?

Nein, noch nicht. Die sechs Wochen waren so schnell vorbei, dass ich das alles noch nicht geschafft habe. Ich habe es auf jeden Fall noch vor, muss mich aber mit einem Anwalt in Verbindung setzen und beraten lassen.

Würden Sie nach dieser Erfahrung noch einmal an einer ähnlichen Aktion von »Ende Gelände« teilnehmen?

Ja, die Sachen, die ich mit der Polizei erlebt habe, haben keinen direkten Einfluss darauf, was ich jetzt mache. Diese Erfahrungen ändern nichts. Ich habe für mich persönlich aber festgestellt, dass ich nicht schnell genug im Kopf bin, um bei so schnellen Sachen mitzumachen. Ich muss mich ein bisschen anders in die Sache mit einbringen.

* Seinen richtigen Namen will Felix K. nicht in der Zeitung lesen, daher wurde er von der Redaktion geändert.

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