Frank Schätzings Körperpflegetips

Unter dem Twitter-Hashtag #dichterdran schreiben Frauen über männliche Autoren so, wie männliche Literaturkritiker es sonst gerne über weibliche Autorinnen tun

  • Lou Zucker
  • Lesedauer: 3 Min.

Die österreichische Autorin Elisabeth Klar bringt die Geschlechterungleichheit in der Literaturwelt in einem Tweet auf den Punkt: »Wenn man kritisiert, dass es so wenige männliche Autoren in den Weltliteratur-Kanon geschafft haben, muss man auch bedenken, dass sich diese Literatur oft auf Männerthemen konzentriert und ihr der universelle Anspruch fehlt, der wahrhaft großartige Werke ausmacht.« Es ist ein altbewährtes, aber immer wieder wirkungsvolles Mittel: einfach die Geschlechterrollen umdrehen, und schon wird die Absurdität der Verhältnisse deutlich.

Dieses Mittels haben sich die Journalistin und Literaturwissenschaftlerin Nadia Brügger, die Filmemacherin und Autorin Güzin Kar und die Romanautorin und Journalistin Simone Meier Freitag vergangener Woche bedient und den Hashtag dichterdran ins Leben gerufen. Brügger hatte sich darüber aufgeregt, wie der Schweizer »Tagesanzeiger« über die Bestsellerautorin Sally Rooney berichtete: Sie sehe aus wie »ein aufgeschrecktes Reh mit sinnlichen Lippen« und einige ihrer Szenen könnten auch von dem französischen Schriftsteller Pierre Carlet de Marivaux abgeschrieben sein.

Doch anstatt sich über den Sexismus im Literaturbetrieb zu beschweren, begannen die drei, so über männliche Autoren zu schreiben, wie Männer es oft über weibliche Autorinnen tun. Andere folgten dem Beispiel, der Hashtag trendete. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter findet sich eine wachsende Sammlung schreiend komischer Parodien auf gängige Muster in Literaturkritiken.

Der Account @latsaritsalats1 beispielsweise twitterte den erfundenen Rezensionsvorspann: »Die Männerbuchwelle boomt - wir werfen einen Blick auf die Werke von Jean-Paul Sartre, den Mann an der Seite der großen Künstlerin Simone de Beauvoir, und beleuchten, was das charmante Anhängsel mit der sexy Hornbrille von der Meisterin gelernt hat.« Die Schriftstellerin Elisabeth Klar rätselte: »Viel ist in der Rezeption von Thomas Bernhard bereits darüber gesprochen worden, dass er nie Vater geworden ist. Während manche dies als mutige Entscheidung wertschätzen, werfen andere ihm Egoismus vor. Wie kam es zu dieser Abwendung von seiner gegebenen Rolle?«

Güzin Kar fragt in einem imaginierten Interview-Einstieg: »Sie sehen blendend aus für Ihr Alter, Chapeau! Verraten Sie uns Ihre drei Must-Have-Körperpflege-Produkte, Frank Schätzing?«

Ganz nebenbei räumen die Nutzer*innen des Hashtags mit dem Vorurteil auf, Feministinnen hätten keinen Humor - und stellen ihre eigene Kreativität unter Beweis. Das Problem, das sie karikieren, ist dabei sehr real: Zwei Drittel der rezensierten Bücher haben einen männlichen Autor, wie eine Studie vergangenen Oktober herausfand. Und auch die Rezensionen werden meist von Männern geschrieben. Eine US-amerikanische Studie von 2018 stellt fest, dass Bücher von Frauen fast um die Hälfte günstiger verkauft werden als die von Männern. Hinter der sexistischen Berichterstattung, die dichterdran auf die Schippe nimmt, stehen damit auch große materielle Ungleichheiten im Literaturbetrieb.

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