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Scholz stellt Gutverdiener besser
Bundesfinanzminister bringt Abschaffung des Solidaritätszuschlags auf den Weg
Manchmal sind Details nicht ganz unwesentlich. So wurde immer wieder kolportiert, dass die Bundesregierung mit der Abschaffung des Solidaritätszuschlags 90 Prozent der Steuerzahler »entlasten« wolle. »Nunmehr wird der Zuschlag in einem ersten Schritt zugunsten niedrigerer und mittlerer Einkommen zurückgeführt«, heißt es auch in einem Gesetzesentwurf wieder, den Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) Ende vergangener Woche an seine Kollegen im Kabinett verschickte, der dem »nd« vorliegt.
Die Abschaffung des Solis ab 2021 hatten Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Scholz gab mit seinem Entwurf nun dem Drängen von CDU und CSU nach, die bei dem Thema schon länger auf die Tube drücken. Folglich gab es für den Finanzminister gleich Lob vom Koalitionspartner: »Es ist gut, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz jetzt den Koalitionsvertrag umsetzt und den ersten Schritt zum Abbau des Soli geht. Indem wir für 90 Prozent der Steuerzahler den Soli abschaffen, entlasten wir Millionen von Menschen in Deutschland«, sagte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus.
Nur zahlt fast die Hälfte Bevölkerung gar keinen Solidaritätszuschlag, weil sie zu wenig verdient. Folglich stand eigentlich zur Abschaffung des Soli auch korrekt im Koalitionsvertrag: »Dadurch werden rund 90 Prozent aller Zahler des Solidaritätszuschlags durch eine Freigrenze (mit Gleitzone) vollständig vom Solidaritätszuschlag entlastet.« So wird er derzeit erst ab einer Einkommenssteuerzahlung von 972 Euro für Singles und 1944 Euro für Ehepaare fällig. Scholz will diese Freigrenze nun auf 16 956 Euro für Alleinstehende und 33 912 Euro für Ehepaare anheben. Nur wer mehr Steuern zahlt, soll dann ab 2021 noch oben drauf den Soli zahlen.
Dadurch entfällt der Zuschlag für Alleinstehende mit einem Einkommen von bis zu 74 000 Euro ganz. »Damit ist man locker bei den Top-5-Prozent der Einkommen«, sagt Steuerexperte Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gegenüber dem »nd«.
Nur noch die obersten fünf Prozent werden also die Abgabe zahlen müssen. Und so wird der Soli nicht nur für 90, sondern für 95 Prozent der Bevölkerung abgeschafft. Und weil die untere Hälfte gar keinen Soli bezahlt, kann sie auch nicht von der Reform profitieren. Stattdessen profitieren Besserverdienende und die gehobene Mittelschicht.
Zudem will Scholz eine »Milderungszone« einführen, in der der Solidaritätszuschlag nicht voll fällig wird, sondern langsam ansteigt. So werden Singles erst ab einem Verdienst über 110 000 Euro den vollen Zuschlag von 5,5 Prozent zahlen müssen. Bei einer Familie mit zwei Kindern und einem Alleinverdiener liegt die Grenze bei circa 221 000 Euro. Folglich würden nur noch die reichsten zwei Prozent den Solidaritätszuschlag verdienen.
Jährlich rund 20 Milliarden Euro nimmt der Staat mit dem Solidaritätszuschlag ein. Die fast komplette Abschaffung wird den Fiskus insgesamt elf Milliarden Euro pro Jahr kosten. Die Einführung der »Milderungszone« kostet dabei eine knappe Milliarde. »Eine Abschaffung des Soli hieße zum jetzigen Zeitpunkt, dass Milliarden fehlen, die zur Unterstützung strukturschwacher Regionen in Ost und West dringend gebraucht werde«, erklärt LINKE-Chef Bernd Riexinger gegenüber dem »nd«.
Unterdessen warnt selbst das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer jüngst veröffentlichten Studie, dass 19 von 96 Regionen in Deutschland bald vom Rest der Republik abgehängt werden könnten. Elf dieser extrem strukturschwachen Regionen befinden sich in den neuen Bundesländern. »Jetzt Steuergeschenke an die Besserverdienenden zu verteilen, wäre da das völlig falsche Signal«, so Riexinger.
Der Union und FDP geht Scholz’ Vorschlag indes nicht weit genug. Langfristig stehe seine Partei für den vollständigen Abbau des Soli, erklärte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. »Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, ob die Bundesregierung jetzt den Soli komplett abschafft«, forderte auch FDP-Bundestagsfraktionsvize Michael Theurer ddas vollständige Aus für den Solidaritätszuschlags.
Unterdessen findet DIW-Steuerexperte Bach die Idee, dass auch die obersten zwei Prozent künftig den Soli nicht mehr zahlen sollen, nicht sonderlich gut. »Wir haben in unserer Steuerpolitik andere Sorgen, als die Spitzenverdiener zu entlasten«, sagt Bach. Stattdessen schlug der Forscher vor einiger Zeit vor, den Solidaritätszuschlag bei Hochverdienern in den Einkommenssteuertarif zu integrieren.
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