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Nur die Minderjährigen dürfen die «Open Arms» verlassen
Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des verdachts der Freiheitsberaubung und des Amtsmissbrauchs / 57 weitere Migranten aus Boot vor Insel Lampedusa gerettet
Rom. Nach mehr als zwei Wochen an Bord haben 27 unbegleitete minderjährige Migranten das spanische Seenotrettungsschiff «Open Arms» verlassen dürfen. Die Jugendlichen wurden am Samstagabend von der italienschen Küstenwache auf die Insel Lampedusa gebracht, wie «Open Arms»-Initiator Oscar Camps auf Twitter mitteilte. Damit befänden sich nun noch 107 Flüchtlinge und 19 Besatzungsmitglieder an Bord des Schiffes, das seit Tagen vor Lampedusa ausharrt.
Der italienische Rundfunksender RAI berichtete, Innenminister Matteo Salvini habe der Ausschiffung auf eine erneute Aufforderung von Präsident Giuseppe Conti hin zugestimmt, aber zugleich vor einem «gefährlichen Präzedenzfall» gewarnt. Die Migranten seien von der Polizei in ein Aufnahmelager im Bezirk Imbriacola gebracht worden. Sie stammten unter anderem aus Eritrea, Gambia, dem Sudan und dem Tschad.
Das Kinderhilfswerk Unicef begrüßte die Entscheidung, die jungen Migranten von Bord zu lassen. Man hoffe auf eine entsprechende Erlaubnis für die 103 Minderjährigen an Bord des Rettungsschiffes «Ocean Viking», erklärte der Sprecher von Unicef Italien, Andrea Iacomini, auf Twitter.
Bereits am Donnerstag hatten sich sechs EU-Staaten, darunter Deutschland, bereiterklärt, die Flüchtlinge der «Open Arms» aufzunehmen. Salvini verbot dem Schiff dennoch die Einfahrt in den Hafen von Lampedusa. Sechs Flüchtlinge hatten das Schiff bereits am Freitag wegen psychischer Probleme verlassen dürfen.
Open Arms«-Kapitän Marc Reig hatte die Lage an Bord am Freitag als »explosiv« beschrieben. Es bestehe die Gefahr, dass sich Flüchtlinge ins Meer stürzten, um schwimmend das Land zu erreichen. »Alle sind psychologisch am Ende, die Situation ist untragbar geworden«, sagte er dem spanischen Fernsehsender TVE.
Die sizilianische Staatsanwaltschaft ließ am Samstag derweil das Hauptquartier der Küstenwache in Rom durchsuchen, wie die Zeitung »La Repubblica« berichtete. Die Ermittler beschlagnahmten Aufnahmen von Gesprächen zwischen dem Innenministerium und der Küstenwache um die Befehlskette dafür zu klären, wer die »Open Arms« daran hindert, in Lampedusa anzulegen. Im Raum steht der Verdacht des Freiheitsentzugs und des Amtsmissbrauchs.
Die Küstenwache hatte Salvini am Freitag schriftlich mitgeteilt, einem »unverzüglichen Anlegen« des Rettungsschiffs stehe »nichts im Wege«. Auch das nationale Koordinationszentrum für Rettungseinsätze in Rom hatte den Innenminister gebeten, dem Schiff schnellstens einen Hafen zuzuweisen.
Ein weiteres Rettungsschiff, die von Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée betriebene »Ocean Viking« mit mehr als 350 Flüchtlingen an Bord, befindet sich derweil weiter auf dem Meer zwischen Malta und Italien. Beide Staaten verweigern dem Schiff das Einlaufen in ihre Häfen.
57 Migranten aus Boot vor Italiens Insel Lampedusa gerettet
Unterdessen hat die italienische Küstenwache nahe Lampedusa 57 Migranten auf einem Boot entdeckt und auf die Insel gebracht. Es handele sich wahrscheinlich um Tunesier, berichtete die italienische Nachrichtenagentur Ansa am Sonntag. Demnach befand sich das Boot vor der Küste von Lampione, einer unbewohnten Nachbarinsel von Lampedusa. Unter den Migranten waren eine schwangere Frau und ein Junge, der offenbar einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte. Ein Arzt untersuchte ihn, bevor er mit den anderen am Samstagabend in ein Aufnahmezentrum gebracht wurde.
Zwischen Anfang Januar und Anfang Juli erreichten knapp 3100 Migranten per Boot Italien, wie Matteo Villa von der Denkfabrik ISPI schätzt. Lediglich acht Prozent von ihnen - etwa 246 - seien von Hilfsorganisationen gerettet worden. Agenturen/nd
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