Mit Gysi und Ramelow durch das Höllental
LINKE-Politiker werben mit Tour per Pedes ab Montag für Wiederinbetriebnahme einer Bahntrasse
Zu einer gemeinsamen Wanderung durch das an der Grenze zwischen Nordbayern und Ostthüringen gelegene Höllental werden diesen Montag Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow und Gregor Gysi (beide LINKE) vom ehemaligen Bahnhof Hölle nahe der oberfränkischen Stadt Naila in Richtung Blankenstein (Saale-Orla-Kreis) aufbrechen. Die Spitzenpolitiker und mehrere Dutzend Kommunal- und Landespolitiker aus Bayern und Thüringen, Wirtschaftsvertreter, Bahnmanager, Eisenbahnfreunde, Verkehrsinitiativen, Wandervereine und Privatpersonen eint dabei neben der Begeisterung für ein starkes Stück Natur an der früheren Staatsgrenze vor allem ein Anliegen: die Wiederinbetriebnahme der durch das malerische Höllental verlaufenden Bahntrasse.
Die rund 5,5 Kilometer lange Trasse von Blankenstein über die Landesgrenze durch das Tal bis zum oberfränkischen Marxgrün an der Bahnstrecke Bad Steben-Hof hat eine lange Geschichte. Im Zuge der deutschen Teilung nach 1945 fiel sie in einen jahrzehntelangen Dornröschenschlaf. Mit dem Mauerfall und dem Anschluss der DDR an die Bundesrepublik wurden erste Rufe nach einer Reaktivierung laut. Die stellenweise von Pflanzen überwucherte Trasse ist noch vorhanden und nach wie vor als Eisenbahnstrecke ausgewiesen.
Das Potenzial der Schließung dieser Lücke im Verkehrsnetz, die in wenigen Jahren realisierbar wäre, wird inzwischen auch im fernen Berlin erkannt. So nahmen der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen und die Allianz pro Schiene die Höllentalbahn in eine Auflistung von bundesweit rund 3000 Kilometer stillgelegten Bahnstrecken auf, die ohne allzu großen Aufwand reaktiviert werden könnten. Durch solche Maßnahmen ließen sich zahlreiche Lücken im Netz schließen und deutlich mehr Menschen und Güter aufs Gleis bringen, so die Autoren der Studie.
Im thüringischen Blankenstein gehört die örtliche Zellstoff- und Papierfabrik Rosenthal zu den Hauptbefürwortern des Projekts. Der modern ausgerüstete Betrieb mit DDR-Tradition verarbeitet Holz aus Tschechien. Der Rohstoff wird derzeit zum Leidwesen vieler Anwohner per Lkw aus dem nahen tschechischen Grenzort Asch herangekarrt. Durch die Reaktivierung der Bahnstrecke könnte der Transport vollständig auf dem Schienenweg erfolgen. Auch die Transportwege des produzierten Zellstoffs ab Werk in Richtung Süddeutschland ließen sich deutlich verkürzen. Damit könnte der Ausstoß von mindestens rund 13 500 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr vermieden werden, schätzt Fritz Sell, der mit seiner Initiative Höllennetz e. V. seit Jahrzehnten im heimischen Oberfranken für die Höllentalbahn wirbt und als kundiger Wanderführer am Montag den Gästen aus nah und fern die Kunstbauten entlang der Höllentalstrecke erläutern wird.
Eine Energieeinsparung in dieser Größenordnung steche auch im Vergleich mit anderen Bahnprojekten hervor. »Kein anderer bundesdeutscher Lückenschluss bringt ad hoc so viel Umwelteffekt mit sich«, sagt Sell. Der Betrieb von Güter- und Personenzügen lasse sich mit der vorhandenen Infrastruktur vereinbaren. »Doch in Sachen Höllentalbahn bremsen die Betonköpfe der regionalen CSU ohne Ende, und das trotz Lippenbekenntnissen zu einer Verkehrswende«, bemängelt er. »In Bayern unterstützen alle außer der CSU das Projekt.« Faktisch sei der von der CSU stets favorisierte Bau einer Ortsumgehungsstraße um eine bayerische Gemeinde teurer als die Wiederinbetriebnahme der Höllentalbahn. Wie Sell hoffen auch andere Projektbefürworter, dass die demonstrative Unterstützung des Lückenschlusses durch prominente Politiker wie Thüringens Ministerpräsident und den Chef der Europäischen Linken die Diskussion neu beflügeln könnte.
Zu den Vorkämpfern einer Reaktivierung gehört auch der in Blankenstein wohnende Thüringer LINKE-Landtagsabgeordnete Ralf Kalich. »30 Jahre nach dem Mauerfall ist es an der Zeit, auch in der Region Frankenwald den verkehrspolitischen Lückenschluss zu vollziehen«, sagt der Parlamentarier, der zusammen mit dem Verein Höllennetz die Wanderung mit Ramelow und Gysi initiiert hat. Eine durchgehende Eisenbahnstrecke vom thüringischen Saalfeld über Blankenstein in die oberfränkische Metropole Hof sei nicht nur für die Zellstofffabrik und die Bewohner der Region vorteilhaft, sagt Kalich.
Er verweist auf das vom Landkreis Hof vorangetriebene Projekt einer 770 Meter langen Fußgängerbrücke über das Höllental auf Höhe der wenige Kilometer südlich von Blankenstein gelegenen Gemeinde Lichtenberg. Diese »Frankenwaldbrücke« wird als »längste Hängeseilbrücke der Welt« angekündigt. Sie soll Scharen von Touristen in die Region locken und helfen, den Bevölkerungsschwund im Frankenwald stoppen, hofft Landrat Oliver Bär (CSU), Ehemann der Staatsministerin im Bundeskanzleramt, Dorothee Bär.
Nach Fertigstellung des Brückenprojekts könnten viele umweltbewusste Touristen auch mit der Bahn anreisen und einen Abstecher nach Blankenstein machen, das Ausgangspunkt mehrerer »Premiumwanderwege« und des legendären Rennsteigs durch den Thüringer Wald sei, hofft Kalich. Doch Landrat Bär hält sich in Sachen Höllentalbahn bedeckt. »Die Höllentalbahn ist nicht Bestandteil des Projekts Frankenwaldbrücke«, sagte eine Sprecherin des Landkreises auf nd-Anfrage.
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