Weichen stellen in Weimar
LINKE-Bundestagsfraktion will ihrer Ostkompetenz neuen Schub verleihen
Wie in der DDR versucht die Politik heute, den Ostdeutschen ihre Lage schönzureden. Versucht ihnen weiszumachen, dass strukturelle Defizite allein mit den Hinterlassenschaften der DDR zu tun hätten. Doch diese Defizite könnten nicht mehr als Erbe der DDR abgetan und entschuldigt werden, heißt es in einem Papier des Ostbeauftragten der LINKEN im Bundestag, Matthias Höhn. Denn nach 1990 wurden neue Ursachen geschaffen. Es geht um die Folgen der Treuhandpolitik, um die Folgen von Marktradikalismus, neoliberalen Kürzungsspiralen, Privatisierung und Rückbau staatlicher Daseinsvorsorge, wie Höhn schreibt.
Am kommenden Mittwoch lädt die Bundestagsfraktion in Weimar zu einer Konferenz über ostdeutsche Weichenstellungen. Dabei geht es um jene Verteilungskämpfe, die der deutsch-deutschen Vereinigung erst folgten. Darum, dass dem demokratischen Herbst von 1989 mit der Treuhand und einem umfassenden Elitenwechsel »schnell das Gegenteil von Mitbestimmung in Ostdeutschland« folgte, wie es in der Ankündigung heißt. Angekündigt sind neben Vertretern der Fraktion wie Fraktionschef Dietmar Bartsch, Gregor Gysi und der Parteivorsitzenden Katja Kipping auch der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow sowie Naika Foroutan, Direktorin des Berliner Instituts für Integrations- und Migrationsforschung, die Autorin Sabine Rennefanz, (»Eisenkinder«) oder der Soziologe Wolfgang Engler.
Auch die Linkspartei sieht sich im Zugzwang - unter Druck gesetzt vom Erfolg der AfD gerade in den ostdeutschen Bundesländern. Diese beruft sich im Wahlkampf zu den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen auf die Traditionen des Herbstes 1989 und verspricht die »Vollendung der friedlichen Revolution«. Dass dabei AfD-Funktionäre wie Björn Höcke das Wort führen, ein Lehrer, der gerade aus Hessen gekommen war, als er 2013 die Thüringer AfD mitgründete, ist kuriose Fußnote in diesem Theater der Vereinnahmung von Geschichte.
Niemand könne der Linkspartei in Sachen Ostkompetenz und Vertretung ostdeutscher Interessen das Wasser reichen; davon ist die LINKE überzeugt, und diese Erkenntnis möchte die Fraktion auch mit ihrer Veranstaltung in Weimar vermitteln. Fraktionschef Bartsch verweist gegenüber »neues deutschland« darauf, dass es freilich Aufgabe sei, dies in Wählerstimmen umzumünzen. Wer mehr im Portemonnaie haben will, müsse die LINKE wählen. »Die AfD ändert nichts am leeren Geldbeutel und an sozialer Unsicherheit. Im Gegenteil: Angst und Unsicherheit sind die Geschäftsgrundlage der Rechten. Die AfD darf nicht zum Mittelpunkt der Politik gemacht werden.« Die LINKE müsse es schaffen, dass wieder mehr Menschen »ihr Interesse und nicht ihr Ressentiment wählen«. Welche Interessen sind das?
Zum Beispiel die Rente. Das Thema ist für die LINKE ein zentrales. Die AfD hingegen habe kein Rentenkonzept, so Bartsch. »Das ist wie ein Fußballspiel ohne Fußball.« Jeder dritte Ostdeutsche werde 2030 in Altersarmut leben, wenn sich nichts ändert. Und Matthias Höhn hierzu: »Die AfD verschafft vielleicht Aufmerksamkeit, mehr Gerechtigkeit verschafft sie den Ostdeutschen nicht. Wer denkt, das Nationale könne Ostdeutschen einen Standortvorteil verschaffen, verkennt, dass Verteilungskämpfe wesentlich über das Kapital entschieden werden, und das sitzt im Westen.«
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