Atmend, aber bestimmt

Rot-Rot-Grün konkretisiert Mietendeckel deutlich.

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Beschwingt betritt die Berliner Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher am Freitagmittag den Raum. »Ich freue mich über das große Interesse«, sagt die LINKE-Politikerin. Aber vor allem freut sie sich, dass am Donnerstag bei einer bis 22.30 Uhr nachts dauernden Runde der Koalitionäre SPD, Linkspartei und Grüne eine Einigung auf die konkrete Ausgestaltung des Mietendeckels erzielt werden konnte. Bis Montag soll der Referentenentwurf für das Gesetz ausgearbeitet sein und mit der Verbändeanhörung das offizielle Gesetzgebungsverfahren starten. Zwischendurch sah es nämlich nicht nur nach außen hin so aus, als wollte die SPD vom Mietendeckel, den sie selber auf den Weg gebracht hatte, nichts mehr hören.

Gegenüber dem am vergangenen Wochenende geleakten internen Papier hat es nun einige Abschwächungen gegeben, die vor allem Überlegungen geschuldet sind, das Ganze rechtlich wasserdicht zu machen. Beerdigt ist demnach die Idee, dass sämtliche Mieten, die über den definierten Obergrenzen liegen, auf Antrag abgesenkt werden müssten. »Die Miethöhen gelten für Wiedervermietung und Mietabsenkungsanträge«, erläutert die Senatorin. Diese sollen aber nur noch möglich sein, wenn die bisherige Nettokaltmiete mehr als 30 Prozent des Nettohaushaltseinkommens beträgt, so wie es jetzt schon bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften der Fall ist. Das bedeutet allerdings auch, dass je nachdem, wie viele Menschen in der Wohnung leben, gewisse Quadratmetergrößen nicht überschritten werden dürfen.

Ganz herausgefallen ist auch die angedachte Genehmigungspflicht für die Kündigung von Mietverhältnissen in Eigentumswohnungen wegen Eigenbedarfs. Bei diesem Punkt sei es »noch schwieriger« als bei den restlichen Punkten gewesen, die Zuständigkeit des Landes Berlin zu begründen, erklärt Lompscher. »Es war ein politischer Wunsch, diesen Punkt aufzunehmen. Wir mussten ihn wieder rausnehmen«, bedauert die Senatorin.

Freude über radikalen Mietendeckel
Das Gesetzesvorhaben ist nur ein Baustein in der Wohnungsfrage, sagen Aktivisten.

Änderungen gab es auch bei der von ihr ursprünglich vorgeschlagenen Mietobergrenze von knapp 8 Euro pro Quadratmeter. Zwischen 5,95 und 9,80 Euro nettokalt sollen nun in der Regel bei der Neuvermietung von Wohnungen in vor 2014 bezugsfertigen Häusern maximal verlangt werden dürfen. Der Neubau ist ausgenommen. Dabei geht es um normal ausgestattete Wohnungen mit Bädern und Sammelheizungen. Für Häuser mit maximal zwei Wohnungen sind zehn Prozent Zuschlag zulässig. Man habe diese Wohnungen einbeziehen wollen, immerhin würden knapp 40 000 davon in Berlin vermietet, erläutert Lompscher. Die Zuschläge seien wegen der höheren Kosten dort notwendig geworden. Bis zu 1,40 Euro pro Quadratmeter Aufschlag sind außerdem zulässig für in den vergangenen 15 Jahren vorgenommene Modernisierungen. Kosten für geplante Modernisierungen bis ein Euro pro Quadratmeter müssen dem Bezirksamt angezeigt werden, eine Genehmigung ist erst bei teureren Maßnahmen erforderlich.

Falls Vermieter mit den Mietobergrenzen wirtschaftlich nicht zurande kommen, können sie auf Basis einer Härtefallregelung höhere Mieten beantragen. Für »Fantasiepreise und Fantasiemieten« soll diese Regelung aber nicht missbraucht werden können, verspricht Lompscher.

Basis der Berechnungen ist der Berliner Mietspiegel von 2013, der mit einem kombinierten Index aus Inflationsrate und Einkommenssteigerungen auf den aktuellen Stand des Jahres 2019 hochgerechnet wurde. 2013 hatte der Senat offiziell einen angespannten Wohnungsmarkt festgestellt. Für die nächsten fünf Jahre eingefroren werden nur die Mieten, die über den Obergrenzen liegen. Als Stichtag gilt weiterhin der 18. Juni.

Lompscher spricht von »zwei Komponenten des Atmens« beim Mietendeckel. Einerseits sind Erhöhungen zulässig, solange die Miete unterhalb der Obergrenzen liegt, andererseits werde die Mietentabelle jährlich entsprechend dem Index angepasst. Damit wurde unter anderem der Forderung von Genossenschaften Rechnung getragen, die die Möglichkeit, ihre Mieten moderat zu erhöhen, für zwingend notwendig hielten. »Das Modell eines atmenden Deckels verschafft insbesondere den gemeinwohlorientierten Vermietern und Genossenschaften mit preiswerten Mieten den notwendigen Spielraum, um ihre Bestände instand zu halten«, sagt die Wohnungspolitikerin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Katrin Schmidberger.

Trotzdem klingt Maren Kern, Vorständin des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, eher gereizt: »Die heute vorgestellten Eckpunkte sind auch wieder nur ein unnötiger Schnellschuss und ein weiterer Arbeitsstand, aber noch kein ausgearbeiteter und begründeter Referentenentwurf.« Beim Berliner Mieterverein zeigt man sich hingegen zufrieden, schließlich hat der Senat viele von dessen Vorschlägen aufgenommen. »Die Regelungen tragen hoffentlich dazu bei, den Mietenexzess in Berlin zu stoppen«, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Mietervereins, dem »nd«. Und wenn nicht? Gaby Gottwald, Mietenpolitikerin der Linksfraktion, verspricht: »Wir haben einen Aufschlag gemacht, und in der nächsten Legislaturperiode legen wir noch ein Pfund drauf.«

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