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Karl Marx, olé! Mieter der Allee feiern
Die Rekommunalisierung von über 700 Wohnungen an der Karl-Marx-Allee ist fast perfekt
»Wir haben für Berlin und für ganz Deutschland, wenn nicht sogar für Europa etwas geschafft, was es so noch nicht gegeben hat«, freut sich Norbert Bogedein, Vorsitzender des Mieterbeirats der Karl-Marx-Allee in Berlin-Friedrichshain. Es geht um die Rekommunalisierung von vier Blöcken der Allee mit 750 Wohnungen, nach denen der Konzern Deutsche Wohnen greifen wollte.
Die Mieter feiern das improvisiert am Sonntagnachmittag im Hof des Blocks C-Süd. An einem Zaun haben sie ein Banner befestigt: »Karl Marx, olé!« steht darauf. Immer mehr kommen dazu, mit Klapptischen und Stühlen. Dazu noch Kaffee, Kuchen, Pizza. Ein Sektkorken knallt. Die Stimmung ist heiter, obwohl noch einiges offen ist. Nur für Block D-Süd, mit 80 Wohnungen, der kleinste der in Rede stehenden ist schon alles klar. Hier hatte die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) das Vorkaufsrecht im Auftrag des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg ausgeübt.
Mitte Juli hatte die landeseigene Gewobag mit dem ursprünglichen Verkäufer der drei restlichen Blöcke mit 670 Wohnungen, der Predac, den Kaufvertrag beurkundet. Der Deutsche Wohnen war der Appetit an dem Kauf vergangen, nachdem sich Hunderte Mieter bereiterklärt hatten, ihr persönliches Vorkaufsrecht an den Wohnungen zu ziehen, um diese dann an die Gewobag weiterzugeben. »Man muss schnell handeln, konsequent sein und die Leute mobilisieren«, sagt Mieterbeirat Bogedein.
»Wir sind aber noch nicht ganz fertig«, erklärt Bogedein. Unklar ist noch die Zukunft des Blocks F-Nord mit rund 150 Wohnungen. Hier hatten Predac und Deutsche Wohnen eine andere Lösung gewählt, um die persönlichen Vorkaufsrechte der Mieter auszuschalten. Der Fall beschäftigt noch die Gerichte. »Sie haben wieder nicht mit uns gerechnet«, freut sich Bogedein.
»Ich freue mich sehr, hier zu sein, weil die Karl-Marx-Allee ein schönes Beispiel dafür ist, wie Protest und Engagement von Mieterinnen und Mietern, wenn er vom Senat kreativ aufgenommen wird, richtig Schönes und richtig Großes erreichen kann«, sagt LINKE-Finanzpolitiker Steffen Zillich, der auch vorbeigekommen ist. »Sicherlich ist das kein Modell für überall, aber es gibt immer wieder Fälle, wo das Land aus guten Gründen trotz vergleichsweise hoher Preise zugegriffen hat«, so Zillich weiter. Es sei wichtig, dass es für Investoren nicht kalkulierbar ist, wo das Land intervenieren wird, erklärt er.
»Der Riesenerfolg ist nur zustande gekommen durch das gute Zusammenspiel der Mieterinnen und Mieter, des Bezirks und der Stadtentwicklungsverwaltung«, lobt der LINKE-Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser. Bezirks-Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) hatte das große Engagement der Mieter tatkräftig unterstützt. »Auch der Block F-Nord sollte nicht in die Hände der Deutsche Wohnen fallen«, fordert Meiser.
Die Handlung ist filmreif, und sie wurde auch filmisch begleitet. Nataša von Kopp, selber betroffene Mieterin, zählt 42 Drehtage. Wieviel Stunden Material dabei zusammengekommen sind, kann sie gar nicht genau sagen. »Ich möchte gerne einen richtigen Film daraus machen. Ich suche aber noch einen Finanzierung«, sagt sie.
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