»Ich bin ein Stück Erdung«
Thorsten Zopf, Fahrer von Linksfraktionschef Dietmar Bartsch, spricht nicht über seinen Chef
Thorsten Zopf ist Chauffeur des Fraktionschefs der LINKEN im Bundestag, Dietmar Bartsch. Auf Instagram betreibt er ein Profil »Dem Dietmar sein Fahrer«. Mit seinen Fotos und Anmerkungen findet er anhaltendes Interesse in und außerhalb der Linkspartei, deren Mitglied Zopf ist. Auch der Leserreise-Treff des »neuen deutschland« am 20. Oktober in Bautzen, bei dem Chefredakteur Wolfgang Hübner Fraktionschef Bartsch zum Talk erwartet, steht bereits in Zopfs Terminkalender. Mit dem 51-Jährigen, der gerade in Dänemark Urlaub machte, sprach telefonisch Uwe Kalbe.
Herr Zopf, plaudern Sie mal ein wenig aus dem Nähkästchen? Was tut Dietmar Bartsch so, wenn er bei Ihnen im Fond sitzt?
Was man als Fahrer mitkriegt, behält man für sich. Es gilt strikte Loyalität.
Mussten Sie ein Schweigegelübde ablegen?
Das war nicht nötig. Es versteht sich von selbst. Ich kenne Dietmar Bartsch seit 2006, zwischen uns herrscht Vertrauen.
Auch politisch?
Ich bin Mitglied der LINKEN. Bei Wahlerfolgen freue ich mich, bei Niederlagen leide ich mit. Nach den Wahlen in Brandenburg und Sachsen fragt man sich schon nach den Ursachen.
Fragt Dietmar Bartsch Sie nach Ihrer Meinung?
Das war auch schon bei Lothar Bisky und Gesine Lötzsch so, die ich vorher gefahren habe. Alle fragten: Wie siehst du das? Ich bin immer so ein Stück Erdung.
Und dann richtet sich Bartsch danach?
Er hört zu. Manchmal heißt es: »Ja, da hast du recht.« Manchmal: »Das musst du aus dem und dem Blickwinkel sehen.« Vielleicht gibt es für beide einen Lerneffekt.
Wie viele Kilometer fahren Sie so in der Woche?
Schwer zu sagen. In drei Wochen Wahlkampf in Sachsen und in Brandenburg waren es knapp 8000. Hängt immer von den Terminen ab und ob Sitzungswochen des Bundestages mit drin sind. Im Monat sind es mindestens 5000 bis 6000 Kilometer.
Meist dauert die Fahrzeit sicher länger als der Termin?
Das kann passieren. Wenn man mehrere Termine verbinden kann, ist es natürlich effektiver.
Die LINKE fordert, den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlegen. Für Politiker gilt das nicht ...
Wenn ein Termin in Hamburg ist, dann setzt sich Dietmar Bartsch in den Zug und ist in zwei Stunden da. Mit dem Auto dauert es länger.
Wenn das überhand nimmt, werden Sie noch arbeitslos.
Ehe es in Deutschland zuverlässigen Bahnverkehr gibt, vergehen noch Jahrzehnte. Bis dahin bin ich in Rente.
Politiker kommen eh immer zu spät zu Terminen, oder?
Würde ich nicht sagen.
Wenn Sie fahren, nie?
Was heißt nie? Im letzten Wahlkampf ist es einmal passiert. Man plant schon einen Puffer ein, aber Staus oder Sperrungen kann man schlecht vorausberechnen. Da kann es schon mal passieren.
Dann sagt Bartsch: »Drück mal drauf«?
Nee, natürlich muss man sich strikt an die StVO halten. Da gibt es keine Ausnahme.
Keine Ausnahme?
Dietmar Bartsch weiß, ich brauch den Führerschein. Das ist Voraussetzung für meinen Broterwerb.
Verführt so ein Audi A8 nicht, ihn auch mal auszufahren?
Nö. Ich hab mich davon nie verleiten lassen zu rasen.
Aber schön ist es doch einen zu fahren, oder?
Ja, na sicher. Der ist ja auch Arbeitsplatz. Dieses Auto ist Büro, da liegen Akten drin, da wird gearbeitet auf der Fahrt. Und für den Fahrer ist es wichtig, dass er nach drei, vier Stunden Fahrt noch frisch ist.
Gibt’s wenigstens eine Hausbar?
Natürlich nicht. Wenn, dann gibt es Wasser vom Fahrer.
Politiker brauchen tolerante Familien, weil sie wenig Zeit für sie haben. Über Fahrer von Politikern redet niemand.
Wenn die Familie nicht mitspielt, dann wird es schwierig. Aber das ist nun mal der Job. Meine Familie steht zum Glück hinter mir. Meine Frau interessiert sich dafür, was ich mache, und umgekehrt ist es genauso.
Sie haben ja schon einige Leute gefahren. Ist es Ihnen egal, wer hinten sitzt?
Egal ist mir das nicht. Wenn man so viel Zeit miteinander verbringt, ist es schon besser, wenn Harmonie da ist, Vertrauen. Es bringt ja nichts, unterwegs stundenlang zu schweigen.
Aber nach Feierabend treffen Sie sich nicht?
Das nun nicht. Aber zu Geburtstagen haben wir uns schon besucht.
Fehlt Ihnen jetzt noch eine Frage?
Das weiß ich nicht, haben Sie sich keinen Zettel gemacht?
Ich hab schon gefragt, was drauf steht.
Eine Anekdote wollen Sie nicht?
Ja, erzählen Sie mal.
Im Osten ist man meist gut versorgt mit Kneipen. Im Westen ist das anders. Abends machen die alle zu. Als wir mal zum Wahlkampf in Bayern waren, haben wir in einem Dorf die Wirtschaft gesucht. So heißen die Kneipen dort. Also hat Dietmar Bartsch die Scheibe runtergedreht und einen Bauern gefragt. Als der uns erklärte, wo es langgeht, war das schon prima. Das hieß, sie ist auch offen. Und dann sagt der: »Moment, ich kenn Sie doch aus dem Fernsehen.« Und Bartsch: »Ja, das ist schon möglich.« Und der Bauer: »Sie sind doch der von den Linken.« Selbst in Bayern, in so einem Dorf unterhalb der Alpen, kennt man Dietmar Bartsch. Da war ich gleich zweimal begeistert.
Fernsehen haben die also im Westen. Aber abends keine Kneipe.
Inzwischen haben wir uns darauf eingestellt. Wenn wir in die westlichen Länder fahren, nehmen wir uns zu essen und zu trinken mit. Falls die Kneipe zu ist.
Wenn Dietmar Bartsch schwitzt im Plenum, haben Sie dann Ruhe?
Dann hab ich Ruhe, dann kann ich mich um den Bürokram kümmern.
Papierkram haben Sie auch?
Na sicher, ich muss Fahrtenbuch führen, Abrechnungen machen, Wartungstermine für das Fahrzeug und alles. Das macht ja der Dietmar Bartsch nicht mit. Da müsste man eigentlich mal drüber reden.
Also ich hab jetzt alles gefragt.
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