Impeachment auf Speed

Die US-Demokraten wollen Trump des Amtes entheben – Parteiführerin Pelosi gibt angesichts steigender Unterstützung für Impeachment-Verfahren Blockadehaltung auf

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 5 Min.

Am Ende brach der Damm dann doch schnell: Die US-Demokraten wollen offiziell ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Donald Trump beginnen. Monatelang hatte sich Demokratenführerin Nancy Pelosi gegen die Einleitung von offiziellen Untersuchungen gestemmt. Sie kann nun glaubhaft vermitteln, dass es sich die Demokraten nicht einfach gemacht haben mit der Entscheidung zur Amtsenthebung.

Mit Bekanntwerden von jedem neuen Vergehen des US-Präsident war in den vergangenen zwei Jahren die Gruppe derer, die sich öffentlich dafür aussprachen, Trump wegen Verstoßes gegen die Verfassung aus dem Amt zu entfernen – langsam, aber kontinuierlich. Bei der Amtseinführung der neuen Demokratenmehrheit im US-Repräsentantenhaus machte die linke Demokratin Rashida Tlaib mit diesem Auspruch Schlagzeilen: »Wir werden den Motherfucker seines Amtes entheben.«

Nach dem Sonderermittler Robert Mueller Ende April seinen Bericht zu Manipulationsversuchen Russlands bei der US-Wahl 2016 und Kontakte der Trump-Kampagne nach Moskau vorlegte, erklärten Dutzende Demokraten, die Einleitung des Prozesses der Amtsenthebung zu unterstützen. Monatelang hatten Aktivisten und die aufgebrachte Parteibasis einzelne Abgeordnete in den sozialen Medien und per Telefonanrufen »bearbeitet«. Ziel der Aktivisten war insbesonders die mächtige Parteiführerin Nancy Pelosi. Die erklärte immer wieder ausweichend und ablehnend, man werde die Vorwürfe sehr sorgfältig prüfen. Sie ließ dabei durchblicken, dass eine Amtsenthebung für sie politisch unklug sei.

Pelosi befürchtet nämlich politische Nachteile für demokratische Abgeordnete in Wechselwählerbezirken. Rund 40 von ihnen haben bei den Zwischenwahlen im vergangenen November den Demokraten ihre neue Mehrheit im Repräsentantenhaus gebracht, ihre Wahlen jedoch nur mit wenigen Prozentpunkten Vorsprung gewonnen. Diese könnten im nächsten November wieder abgewählt werden, wenn die Republikaner mit ihrem Votum für eine Amtsenthebung Wahlkampf gegen sie machen sollten.

Pelosis Haltung erklärt sich auch mit ihrer politischen Sozialisation. Ihre Generation ist in den 1980er Jahren zum ersten Mal in den US-Kongress gewählt worden. Sie hat vor allem aus politischen Niederlagen erlebt. Diese haben für entsprechend vorsichtiges Verhalten bei denen gesorgt, die den Rechtsruck der Reagan-Jahre und die Abwahl der langjährigen Demokraten-Mehrheit in der unteren Parlamentskammer überlebt haben.

Vor rund zwei Wochen hatte die Anzahl der Pro-Impeachment-Demokraten die symbolisch wichtige Marke von 135 Demokraten erreicht – eine Mehrheit der 235 Abgeordneten der Partei im US-Repräsentantenhaus. Doch Pelosi zeigte sich weiterhin ablehnend. Als Sprecherin des Repräsentantenhaus entscheidet sie, welche Ausschüsse gebildet werden und welche Gesetze oder Resolutionen abgestimmt werden. Erbost über die Blockadehaltung erklärte der neue Social-Media-Star der Parteilinken Alexandria Ocasio-Cortez, die politisch sozialisiert ist durch die »Yes We Can«-Kampagne des Ex-Präsidenten Barack Obama, noch am Wochenende: »Mittlerweile ist der größere Skandal nicht die Tatsache, dass der Präsident das Gesetz bricht, sondern die Weigerung der Demokraten, etwas dagegen zu tun.«

Seit Ende vergangener Woche wurden dann Details einer Beschwerde eines Whistleblowers aus dem Weißen Haus bekannt, dessen Bekanntwerden Trumps Mitarbeiter verhindern wollten. Der US-Präsident hatte offenbar unter Androhung der Zurückhaltung von Hilfsgeldern in Millionenhöhe versucht, in der Ukraine belastendes Material über die Familie Biden zu erlangen – das hätte hilfreich sein können bei der Präsidentschaftswahl 2020. Joe Biden war US-Vizepräsident unter Obama.

Wie ein Trommelfeuer prasselten anschließend die Impeachment-Forderungen auf Nancy Pelosi ein. Immer weitere Abgeordnete gaben Erklärungen heraus, nun Anhörungen zur Amtsenthebung zu unterstützen - darunter auch Abgeordnete aus Wechselwählerbezirken und sieben ehemalige Mitarbeiter des Sicherheitsapparates, die nun für die Demokraten im Repräsentantenhaus sitzen. Bis zum frühen Mittwochmorgen deutscher Zeit hatten innerhalb weniger Stunden laut »Politico« fast 40 Abgeordnete ihre Meinung geändert. Am Mittwochmorgen kamen weitere dazu. Aktuell haben sich demnach 207 Demokraten und der ehemalige Republikaner und unabhängige Abgeordnete Justin Amash für ein Amtsenthebungsverfahren ausgesprochen.

Die politisch kühle Taktikerin Pelosi trat angesichts dessen die Flucht nach vorne an. Nach Telefonaten mit Abgeordneten und einer Beratung in der Fraktion am Dienstagabend erklärte die Demokratenführerin, dass die Partei offiziell »eine Untersuchung einleiten« werde. In den dunkelsten Stunden des US-amerikanischen Unabhängigkeitskrieges habe Thomas Paine geschrieben: »Die Umstände unserer Zeit zwingen uns dazu, für unsere Demokratie zu kämpfen«, heißt es in der Erklärung Pelosis. Das sei auch heute wieder nötig.

Die Parteilinke Alexandria Ocasio-Cortez antwortete am Dienstagabend auf die Frage von Reportern, ob sich die Demokraten mit dem Impeachment-Verfahren zu viel Zeit gelassen hätten, das sei nun »egal«. Wichtig sei, dass Trump mehrere Vergehen, die eine Amtsenthebung rechtfertigen würden, begangen habe und dass nun das Verfahren beginne. Nach Aussage von Jerry Nadler, Vorsitzender des Justiz-Ausschusses des Repräsentantenhaus, soll das mit »full speed« geschehen.

Der Druck auf Pelosi war auch deswegen so groß geworden, weil Anhörungen zur Amtsenthebung mehrere Monate lang dauern und im Frühling 2020 bereits der Wahlkampf beginnt. Für eine Impeachment-Abstimmung reicht eine einfache Mehrheit von 218 Abgeordneten. Dass die wenigen verbleibenden, unentschlossenen Demokraten im Repräsentantenhaus gegen die offenbar weiter wachsende Parteimehrheit stimmen werden, ist eher unwahrscheinlich. Um Abgeordnete aus Wechselwählerbezirken schon jetzt vor der Abwahl zu schützen, begannen die linken Aktivisten von »Data for Progress«, am Dienstagabend Geld zu sammeln für die Demokraten aus umkämpften Bezirken, die ein Impeachment unterstützen.

Sehr unwahrscheinlich ist es, dass der knapp republikanisch dominierte Senat im zweiten Schritt mit der nötigen Zweidrittelmehrheit für eine Amtsentfernung von Trump stimmt. Wenn er das nicht tun sollte, dann können die Demokraten diese Verweigerung 2020 im Wahlkampf zum Thema machen. Zunächst aber forderte das Oberhaus am Dienstagabend überraschend einstimmig mit den Stimmen von Demokraten und Republikanern die US-Regierung dazu auf, die Whistleblower-Beschwerde zum Fall Ukraine dem US-Kongress zu übergeben.

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