Erneuerung Europas durch einen »Grünen Deal«

Linke Ökonomen fordern bei der Jahreskonferenz der EuroMemo-Gruppe in Paris einen Bruch mit Austerität und Finanzkapitalismus

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Mehr als 60 linke Ökonomen aus 17 europäischen Ländern trafen sich am Wochenende in Paris, um über die Aussichten für eine fortschrittliche alternative Wirtschaftspolitik in der EU zu beraten. Die mittlerweile 25. Jahrestagung der Euro-Memo-Gruppe stand unter dem Motto »Ein Grüner Deal für Europa - Möglichkeiten und Herausforderungen«.

Die Bewegungsforscherin Donatella Della Porta vom Europäischen Hochschulinstitut in Florenz wies daraufhin, dass die Europawahl eine sehr heterogene politische Landschaft aufgezeigt hat. Während die Sozialisten nur noch ein »langer Schatten des dritten Weges« seien, konnten sich unter den fortschrittlichen Kräften die Linken behaupten und die Grünen deutlich an Stärke gewinnen. Insbesondere in Spanien und der Slowakei sowie außerhalb der EU in der Türkei hätten sich fortschrittliche Veränderungen vollzogen, während es in Italien mit Matteo Salvini und in Großbritannien mit Boris Johnson Rückschritte gegeben habe. Die populistische radikale Rechte konnte sich zwar nicht durchsetzen, sei aber weiter stark und gefährlich.

Bemerkenswert für Della Porta sind hingegen eine starke »feministische Welle«, ferner die Bewegung besorgter Jugendlicher, »Fridays for Future«, und die Mobilisierung prekärer Scheinselbstständiger, die Opfer der fortschreitenden »Uberisierung« des Wirtschaftslebens seien. Die neue Bewegung der Gelbwesten in Frankreich zeige Konflikte nicht nur zwischen Arm und Reich, sondern auch zwischen Stadt und Land, zwischen Zentrum und Peripherie auf. Klassengegensätze gehörten keineswegs der Vergangenheit an, davon zeugten neue Formen sozialer Auseinandersetzungen und Bewegungen. Gleichzeitig mache die immer stärkere Welle des Populismus in Westeuropa die Krise der neoliberalen Hegemonie deutlich.

Zur wirtschaftlichen Lage in der Union verwies Henri Sterdyniak von der Konjunkturforschungseinrichtung OFCE in Paris darauf, dass nach der Krise von 2008 und der Austeritätspolitik der Jahre 2011 bis 2013 Europa beim Wirtschaftswachstum deutlich hinter den USA und anderen Teilen der Welt zurückgeblieben sei. Allerdings sei die Lage bei Wachstum, Produktivität in der Industrie, Außenhandelsbilanz oder Arbeitslosigkeit sehr unterschiedlich. »Europa muss heute zwischen zwei Modellen wählen, die schwer vereinbar sind: der technologischen Innovation oder der ökologischen Wende«, sagte er.

In der Diskussion wurde deutlich, dass die linken Ökonomen darauf drängen, dass Europa in den nächsten Jahren und Jahrzehnten klar mit dem gegenwärtigen Entwicklungsmodell brechen muss. Nötig seien eine tiefgreifende Veränderung der Produktions- und Konsumtionsweise, ein Bruch mit dem Produktivismus und dem Finanzkapitalismus, der nur nach kurzfristigem Profit strebt. Dazu zwinge vor allem die Tatsache, dass die Erde mit den Klimaveränderungen und dem absehbaren Ende der Rohstoffe »an ihre Grenzen stößt«. Angesichts der skrupellosen Ausbeutung sowohl der Naturreichtümer als auch der arbeitenden Menschen gehörten heute der Kampf für soziale Rechte und für den Schutz der Umwelt zusammen. Ein ambitionierter ökologischer und sozialer »New Deal« - vergleichbar mit der Politik in den USA nach der Wirtschaftskrise von 1929 - müsse für weniger Umweltbelastung durch Verkehr und Energiewirtschaft sorgen, was massive Investitionen in neue »saubere« Infrastrukturen erfordere und aber viele neue Arbeitsplätze schaffe.

Diese einschneidenden Veränderungen müssten staatlich geplant und aufgrund der Bedürfnisse der Menschen demokratisch beschlossen werden. Voraussetzung dafür seien der Bruch mit dem Austeritätsdogma in der Haushaltspolitik, eine strenge Regulierung der Banken notfalls auch mittels Verstaatlichung und eine tiefgreifende Veränderung des Steuersystems, die auf eine Konfrontation mit den großen Konzernen und deren Aktionären hinauslaufe. Für die EuroMemo-Gruppe ist es entscheidend, mit welcher Entschlossenheit und mit welchem Rückhalt diese Entscheidungen fallen und wie Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und darüber hinaus die breite Öffentlichkeit einbezogen werden.

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