Investorendämmerung

Christoph Ruf über randalierende Kolonialherren mit beschränkter Zahlungsmoral im Sport

Das Ruhrgebiet gilt ja gemeinhin als der Hotspot des deutschen Fußballs. Wenn dort irgendwo ein Licht angehe, heißt es, strömten die Leute in die entsprechende Richtung. Es könnte sich ja um die Flutlichtmasten eines Stadions handeln.

Und tatsächlich liegen in dem dicht besiedelten Ballungsraum einige bekannte Spielstätten fast schon fußläufig beieinander. Von der Schalker Arena kann man mit der Straßenbahn ins Bochumer Ruhrstadion fahren und kommt auf dem Weg dorthin noch am Wattenscheider Lohrheidestadion vorbei, in dem auch schon mal Bundesligafußball gespielt wurde.

Doch im Schatten der Großen wie Schalke oder Dortmund, die tatsächlich nur das Licht anknipsen müssen, um ihre Riesenarenen voll zu bekommen, war das Leben noch nie besonders leicht. Mit Ausnahme von Rot-Weiss Essen (aktueller Schnitt in der vierten Liga: knapp 12 000) sind die Zuschauerzahlen nicht besonders prall. Vereine wie der KFC Uerdingen oder Rot-Weiß Oberhausen (die im Gegensatz zu den zehn Kilometer entfernten Essenern das »weiß« im Vereinsnamen korrekt schreiben) waren jahrzehntelang froh, wenn sie mehr als 2000 Fans begrüßen durften. Die Sponsoren investierten lieber in die Annonce in der Stadionzeitung bei Schalke, als dass sie den Hauptsponsor in Oberhausen oder Krefeld geben würden.

Kein Wunder, dass die Nachtschattengewächse des Fußballs (nicht nur im Ruhrgebiet) angesichts dieser Perspektivlosigkeit anfällig für die Verlockungen des großen Geldes werden. Und das versprechen in den unteren Ligen derzeit vor allem so genannte »Investoren«, die mal mehr, mal weniger seriös agieren, denen es vor allem aber weniger um ein ideell motiviertes »Investment« geht, als darum, die Macht im Verein zu übernehmen und im Erfolgsfall ihr Geld wieder herauszuziehen.

Andreas Rettig, bis Sommer Geschäftsführer beim FC St. Pauli, rät deshalb auch, den schönfärberischen Begriff »Investor« zu vermeiden. Es gehe schließlich um Menschen, die »Eigentümer« ihres jeweiligen Spekulationsobjektes werden wollen. Hasan Ismaik, der seit 2012 mit bewundernswerter Konsequenz 1860 München an die Wand fährt, hat das mal in die schöne Formulierung gekleidet, er habe den BMW gekauft, nun wolle er auch ans Steuer. Was man sich bei einem Menschen, der ganz offensichtlich keinen Führerschein hat, zweimal überlegen sollte.

Auch in Uerdingen war die Verzweiflung offenbar 2016 so groß, dass man sich auf einen Mann namens Mikhail Ponomarev einließ. Dass das keine gute Idee war, dürfte mittlerweile auch der Letzte gemerkt haben. In den vergangenen drei Spielzeiten rotierten knapp 100 Spieler durch den KFC, 44 gingen, 48 kamen. Sechs Trainer hat Ponomarev seit 2017 verschlissen, der letzte musste vergangene Woche dran glauben. Wenn ein Mann Millionen in sein Spielzeug pumpt und der Erfolg trotzdem ausbleibt, muss das ja am Trainer liegen. Sagt zumindest Ponomarev: »Zwei, vier, sechs - das ist eine seltsame Rechnung. Wenn es nötig ist und uns an unser Ziel bringt, hole ich 18 Trainer.« Die treffen sich mit dem Herrn dann allerdings nach ihren kurzen Amtszeiten regelmäßig vor Gericht, der Herr zahlt nämlich nicht so gerne die Abfindungen, die bei seinem Trainerverschleiß fällig werden. Offenbar hält er Zahlungsverpflichtungen sowieso für unverbindliche Empfehlungen. Ponomarev, der vorher schon bei den Eishockeyspielern aus Düsseldorf im Unfrieden geschieden war, ist nämlich auch Gesellschafter des DEL-Clubs Krefeld Pinguine, die vor ein paar Tagen einen Hilferuf aussandten: »Leider kommt Mikhail Ponomarev seinen Verpflichtungen gegenüber der KEV Pinguine Eishockey GmbH seit Monaten nicht nach (...) Ich fordere Sie, Herr Ponomarev, nun öffentlich auf, Ihren Verpflichtungen und Zusagen gegenüber der KEV Pinguine Eishockey GmbH nachzukommen.«

Eine »Ohrfeige« für den Boss, nannte das die Lokalpresse, wohl wissend, dass man als schmerzfreier Mensch auch gegen Backpfeifen immun ist. Da passt es prima ins Bild, dass der noble Investor nach dem 0:3 seiner Uerdinger Fußball-Elf gegen Mannheim in der Mannschaftskabine einen Tobsuchtsanfall bekommen, von »Idioten« und »Arschlöchern« gesprochen und einen Tisch durch die Gegend getreten haben soll. Wenn das teuer erworbene Spielzeug nicht funktioniert, wirft man es eben gegen die Wand.

Und: Mikhail Ponomarev hat sich schon das nächste Spielzeug ausgesucht: den niederländischen Zweitligisten NEC Nijmegen.

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