Kein heiß ersehnter Posten

Sachsens LINKE erwägt Verzicht auf Vizepräsidentenamt im neuen Landtag

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Der neu gewählte sächsische Landtag, der an diesem Dienstag in Dresden erstmals tagt, soll neben einem Präsidenten auch drei Vizepräsidenten bekommen. Das steht im Entwurf der Geschäftsordnung, auf den sich die wahrscheinlichen Koalitionsfraktionen CDU, Grüne und SPD verständigt haben. Sie haben sich auch geeinigt, zwei der Posten für beide Oppositionsfraktionen zu reservieren: AfD und LINKE. Doch während erstere mit André Wendt einen Bewerber aufgestellt hat, herrscht bei den Genossen wenig Begeisterung. Denkbar scheint sogar, dass die Fraktion den Posten ausschlägt. Erst am Dienstagmorgen, sagt Fraktionsvize Susanne Schaper, wolle man die Angelegenheit »inhaltlich und personell« besprechen.

Dass es im Dresdner Landtag drei Vizeposten gibt, ist nichts Neues; schon 2004 bis 2014 hatten die Landtagspräsidenten Erich Iltgen und Matthias Rößler (beide CDU) je drei Stellvertreter. Zwei der Posten gingen an die stärkste Fraktion, also die CDU, sowie den Oppositionsführer, also PDS bzw. LINKE. Der zusätzliche dritte Posten wurde geschaffen, um den jeweiligen Koalitionspartner zu beglücken: erst die SPD, dann die FDP. Nach der Wahl 2014 aber entfiel er wieder. Die SPD ging zwar erneut in die Regierung; auf den Vizeposten aber habe man verzichtet, erinnerte sich Dagmar Neukirch, deren parlamentarische Geschäftsführerin. Das dürfte nicht zuletzt mit Blick auf die Arbeitsfähigkeit der Fraktion geschehen sein. Die Partei stellte noch 18 Abgeordnete, von denen alle für die Parlamentsarbeit gebraucht wurden. Die Vizepräsidenten widmen sich repräsentativen Aufgaben für das Parlament.

Nach der Wahl am 1. September hätte ein einzelner Vizeposten für den kleinen Koalitionspartner nicht mehr gereicht - mit Grünen und SPD gibt es zwei. Den früher praktizierten Regeln zufolge wären die Grünen am Zug gewesen, die Sozialdemokraten aber leer ausgegangen, was für Frust hätte sorgen können. Möglichem Streit gingen die künftigen Regierungspartner elegant aus dem Wege, indem nicht nur einer, sondern zwei der Posten für die Opposition reserviert werden. Man habe, sagt Neukirch, »auch bei den repräsentativen Posten alle politischen Strömungen im Landtag einbinden« wollen.

Die Rechnung wurde freilich offenbar zumindest zum Teil ohne den Wirt gemacht. Die LINKE, die laut Schaper »am Freitag aus der Zeitung« von ihrem Glück erfuhr, hat sich noch nicht entschieden, ob sie auch zugreifen will. Die Partei, die im vorigen Landtag noch mit 27 Abgeordneten vertreten war und in Horst Wehner einen allseits anerkannten Vizepräsidenten stellte, ist nach dem Absturz bei der Landtagswahl auf 10,4 Prozent mit nur noch 14 Politikern im Parlament vertreten; auch die Zahl der Mitarbeiter wird schrumpfen. Es gilt bereits als sehr große Herausforderung, unter diesen Bedingungen eine wirksame parlamentarische Arbeit zu organisieren und sich neben der für den Freistaat neuen Dreierkoalition sowie der 38 Abgeordnete zählenden AfD-Fraktion überhaupt Gehör zu verschaffen. Die Frage, ob man es sich angesichts dessen leisten will, ein Fraktionsmitglied als Vize ins Präsidium abzuordnen, gilt als völlig offen. Sie persönlich, sagte Schaper, sei der Meinung, man solle sich »auf die inhaltliche Neuausrichtung der Fraktion« konzentrieren.

Was passiert, falls ihre Genossen das mehrheitlich ebenso sehen, ist unklar. Grüne und SPD waren zunächst überrascht und äußerten sich nicht, ob sie in die Bresche springen würden. Für die CDU dürfte sich die langjährige Amtsinhaberin Andrea Dombios erneut um den Vizeposten bewerben, nachdem sie vergebens versucht hatte, sich bei der fraktionsinternen Nominierung gegen Rößler durchzusetzen und erste Landtagspräsidentin zu werden. Die Wahl von AfD-Kandidat Wendt gilt zumindest im dritten Wahlgang als wahrscheinlich, wenn die einfache Mehrheit der Stimmen reicht. Dann dürften sich ausreichend Abgeordnete der anderen Fraktionen enthalten. Auch wenn es bei einigen Abgeordneten Bedenken gegen Wendt als Person gebe, stehe der Posten der AfD doch zu, so Stephan Meyer, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU. Grünen-Fraktionschef Wolfram Günther sagte, es gebe die »klare Ansage«, sich mit der AfD politisch, nicht aber über »Geschäftsordnungstricks« auseinanderzusetzen. Man wolle »keine Märtyrer schaffen«.

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