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Kommando Einpacken
Washington ordnet Rückzug US-amerikanischer Truppen aus Nordsyrien an
Es war eine Hiobsbotschaft an die kurdische Bevölkerung Syriens, die das Weiße Haus am Sonntag verkündete: »Die Türkei wird bald mit ihrem lang geplanten Einsatz in Nordsyrien voranschreiten«, hieß es in einer Erklärung aus Washington. Die US-Armee werde die türkische Offensive »weder unterstützen noch darin involviert sein«. Deshalb würden die Soldaten nach dem »Sieg« über die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) aus der Region zurückgezogen.
Damit wird wahr, was viele seit dem offiziellen Ende des vom IS ausgerufenen Kalifats befürchten. Die USA hatten beim Kampf gegen die Terrormiliz vor allem auf die Syrischen Demokratischen Kräfte gesetzt - einem Militärbündnis unter Führung der kurdischen YPG. Jetzt, wo die Bedrohung durch die Terrororganisation als beseitigt gilt, sieht die US-Regierung keine Rechtfertigung für ihren Einsatz in der Region und macht damit den Weg frei für eine türkische Invasion. Die türkische Regierung droht schon seit Monaten mit Militäroperationen gegen die kurdische Selbstverwaltung in Nordsyrien. Ankara stuft die YPG-Miliz wegen ihrer Nähe zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als »Terrororganisation« ein. Zuletzt schickte die türkische Armee zusätzliche Militärkonvois an die syrische Grenze.
Lediglich die Präsenz US-amerikanischer Truppen in der Region schien Ankara bislang von einer groß angelegten Offensive abzuhalten. Zwar ist das türkische Militär schon seit Januar 2018 in Syrien aktiv, beschränkt jedoch seine Aktivitäten auf die Regionen westlich des Flusses Euphrat.
US-Präsident Trump hatte bereits in einer umstrittenen Erklärung im Dezember 2018 den Abzug der US-Truppen aus Syrien angekündigt. Wenige Monate später erklärte er jedoch, die USA blieben mit rund 400 Soldaten »bis auf Weiteres« in Syrien stationiert. Nach einer Einigung mit Ankara auf die Schaffung der Sicherheitszone an der türkisch-syrischen Grenze Anfang August hatten die USA noch betont, die Kurden weiter mit Waffen und Fahrzeugen auszustatten. Einen »einseitigen« türkischen Einmarsch in Syrien hatte Washington als »inakzeptabel« bezeichnet.
Erdoğan sagte am Montagvormittag, die türkische Armee könne »jede Nacht ohne Warnung« mit ihrer Offensive beginnen. »Es steht völlig außer Frage, dass wir die Bedrohungen durch diese terroristischen Gruppen nicht weiter tolerieren können.«
Das Generalkommando der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) kündigte bereits Widerstand an. »Die SDF wird keine Sekunde zögern, sich selbst zu verteidigen und ruft dazu auf, dass sich alle Menschen in der Region - Araber, Kurden und Assyrer - zusammenschließen, um unser Land gegen die türkische Aggression zu verteidigen«, hieß es in einer Erklärung.
Auch international wächst die Sorge angesichts der bevorstehenden Offensive der türkischen Armee. Die UNO bereite sich bereits auf das Schlimmste vor. »Wir wissen nicht, was passieren wird«, sagte der Leiter des UN-Hilfseinsatzes in Syrien, Panos Moumtzis, am Montag in Genf. Es gebe viele unbeantwortete Fragen zu den Folgen einer Offensive.
Die Bundesregierung warnte vor fatalen sicherheitspolitischen und humanitären Konsequenzen. »Ein solches militärisches Eingreifen würde zu einer weiteren militärischen Eskalation in Syrien führen und zu einer fortgesetzten Destabilisierung des Landes beitragen«, sagte die Vizeregierungssprecherin Ulrike Demmer am Montag.
Unklar ist, wie die syrische Regierung auf eine türkische Invasion östlich des Euphrats reagieren wird. Zu der kurdischen Selbstverwaltung pflegt sie ein ambivalentes Verhältnis. Einerseits hat man im begrenzten Rahmen militärisch miteinander kooperiert. Doch die Regierung betonte stets ihren Anspruch auf das gesamte syrische Staatsgebiet. Eine türkische Invasion könnte diesen in weite Ferne rücken. Denn dass die türkische Regierung diese Gebiete an die syrische Regierung wieder abtreten würde, ist höchst zweifelhaft. Ob die syrische Regierung jedoch einen offenen Krieg mit der Türkei wagt, ist es auch. Mit Agenturen
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