- Politik
- Shell-Studie
Die Jugend erhebt Einspruch und will mitreden
Shell-Studie attestiert der jungen Generation reges politisches Interesse
»Es tut sich was«, sagte der Politologe Mathias Albert von der Universität Bielefeld, am Dienstag bei der Vorstellung der Shell-Jugendstudie unter dem Titel »Eine Generation meldet sich zu Wort«. »Es ist zunehmend ›in‹, sich politisch zu engagieren«, meinte Albert. 41 Prozent der für die Studie befragten Jugendlichen zwischen zwölf und 25 Jahren bekundeten Interesse an der Politik; 34 Prozent halten politisches Engagement für wichtig. Diese Werte sahen vor 15 Jahren noch ganz anders aus. Damals war eine allgemeine Politikverdrossenheit weitaus stärker verbreitet.
Diese Umfragewerte bieten eine Erklärung für das durchaus überraschende Anwachsen der Schülerstreiks von »Fridays for Future« vor einem Jahr zu einer breit aufgestellten Klimaschutzbewegung, die am 20. September mehr als eine Million Menschen auf die Straße gebracht hat.
Bemerkenswert findet es Albert, der seit 2002 die Jugendstudie leitet, dass die junge Generation so zuversichtlich wie lange nicht mehr ist. So hat etwa das Vertrauen in die Demokratie in den vergangenen Jahren zugenommen. Bekannten sich vor 17 Jahren noch 60 Prozent zu ihr, so sind es jetzt 77 Prozent. Jugendliche sind heute mehrheitlich tolerant und liberal eingestellt; sie sind pragmatisch und leistungsbereit.
Dabei sind auch die Ängste nach wie vor beträchtlich. Die Furcht vor Umweltverschmutzung (75 Prozent) und dem Klimawandel (65 Prozent) sind derzeit am ausgeprägtesten, doch auch die vor Krieg und Terroranschlägen ist unverändert groß. Dagegen hat die Angst vor Armut und Arbeitslosigkeit im Vergleich zu den letzten Erhebungen nachgelassen.
Auch die Debatten um Flucht und Migration in den vergangenen Jahren haben Spuren hinterlassen. So bekundetet jeder dritte Jugendliche Angst vor Zuwanderung, aber auch mehr als jeder zweite (56 Prozent) Furcht vor Ausländerfeindlichkeit.
Diese breite Streuung an Gefühlslagen und Einstellungen macht deutlich, dass es keine homogene Jugend gebe, wie Familienministerin Franziska Giffey (SPD) bei der Vorstellung der Studie betonte, sondern recht unterschiedliche Stimmungslagen. Zwar bekennt sich eine Mehrheit zu demokratischen und liberalen Werten, aber ein beträchtlicher Teil neigt auch zu ausgeprägten nationalpopulistischen Positionen (neun Prozent). Weitere 24 Prozent zeigen sich gegenüber rechtspopulistischen Thesen teilweise aufgeschlossen. Für Giffey ist dieser Wert viel zu hoch - sie sieht dies als Auftrag, die politische Bildung in den Schulen zu intensivieren.
Der Politologe Albert versuchte indes, diese rechten Einstellungen zu erklären. Dahinter stehe oft eine Ohnmacht - die Empfindung, benachteiligt zu sein und »das Leben nicht selbst in der Hand zu haben«. Junge Menschen, die dazu neigten, entstammten häufig aus bildungsferneren Schichten, so der Studienleiter.
Ein ganz anderes Bild zeigt sich indessen bei der Klimabewegung »Fridays for Future«. »Viele Beteiligte haben einen hohen Bildungsgrad«, sagte der Co-Autor der Studie, Klaus Hurrelmann. Es gebe ein starkes Engagement und eine Zuversicht, tatsächlich etwas bewegen zu können. Zuletzt haben die Aktivisten ein Veto gegenüber dem zaghaften Klimapaket der Großen Koalition geäußert. Ihre Forderung nach einer Einhaltung der Pariser Klimaziele richtet sich an die Parlamente, mit denen viele Jugendliche allerdings der Studie zufolge fremdeln: 71 Prozent der Jugendlichen gaben an, nicht daran zu glauben, dass sich Politiker für ihre Belange interessierten.
Für die Giffey ist das ein Weckruf: Junge Menschen forderten zu Recht, dass ihnen zugehört wird und dass ihre Forderungen Folgen haben. »Wir müssen uns überlegen, wie wir die Jugendlichen mehr beteiligen.« Sie verwies auf die Junior-Wahlen an den Schulen und den U18-Wahlen vor regulären Wahlen, bei denen es bereits viel Zuspruch gegeben habe. Die Ministerin sprach sich für eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre aus - mit einer raschen Umsetzung rechnet sie allerdings nicht.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.