Druck unterm Mietendeckel

Koalition will sich diesen Donnerstag über das Gesetzesvorhaben einigen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Rot-Rot-Grün ist beim geplanten Mietendeckel im Krisenmodus, nachdem weder beim Koalitionsausschuss am vergangenen Freitag noch bei der Senatssitzung am Dienstag eine Einigung erzielt worden ist. Diesen Donnerstag soll ein Sonder-Koalitionsausschuss zusammentreten, je vier Vertreter von SPD, LINKE und Grünen sollen eine Lösung aushandeln, wie es mit dem Mietendeckel doch noch klappen könnte.

Die SPD will nun keine Absenkung von Mieten mehr haben, sondern diese einfach auf aktuellem Stand für fünf Jahre einfrieren. Überlegungen, eine rückwirkende Senkung der Mieten auf bestimmte Obergrenzen zu ermöglichen, sind aus Sicht des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters Walter Momper (SPD) »bescheuert« und unrealistisch. »Das läuft schon rein rechtlich nicht«, ist er überzeugt.

Die dem jetzigen Regierenden Michael Müller unterstellte Senatskanzlei hat für die Untermauerung der SPD-Position auch noch schnell ein Gutachten bestellt. Der Verfassungsjurist Ulrich Battis sieht »für den Erlass der Regelungen von Mietobergrenzen und zur Herabsetzung von über den im Gesetz bestimmten Grenzen liegenden Mieten keine Gesetzgebungskompetenz für das Land Berlin«, heißt es in dem »nd« vorliegenden Gutachten.

Zu dieser Ansicht kursieren diverse juristische Gegenmeinungen. Am politisch pikantesten ist die Erwiderung des Verwaltungsrichters Max Putzer, der auch SPD-Mitglied ist. »Im Ergebnis kann ich daher nicht erkennen, warum man - jedenfalls kompetenzrechtlich - das Einfrieren anders beurteilen sollte als die Regelungskonzepte zur Einführung einer Tabellenmiete und zur sogenannten Absenkung von Mieten«, schreibt er.

Ulrich Battis hatte geschrieben, dass dies in die privatrechtlich, also unter Kompetenz des Bundesgesetzgebers, geschlossenen Mietverträge eingreifen würde und daher nicht durch das Land Berlin gesetzlich veranlasst werden dürfe.

Aus der SPD heißt es, dass man die Absenkung vor allem aus Gründen der Rechtssicherheit nicht haben wolle. Als eine gesetzliche Kappung könnten sich einige Genossen jedoch die ortsübliche Vergleichsmiete plus 20 Prozent vorstellen. Das entspricht dem Tatbestand der Preisüberhöhung aus dem Wirtschaftsstrafrecht. Juristen hatten für die letzte Koalitionsrunde zum Mietendeckel am vergangenen Freitag ein Papier mit Ratschlägen für die Politik formuliert, das »nd« vorliegt. Sie empfahlen, zum 1. Januar 2020 den Mietenstopp einzuführen, außerdem ein Wohnungskataster sowie eine zentrale Landesbehörde für die Umsetzung des Gesetzes einzurichten. Auch die Mietpreistabelle für Wiedervermietungen sowie die Bußgeldvorschriften und Auskunftspflichten von Vermietern an Behörden sollten zu diesem Zeitpunkt in Kraft treten.

Modernisierungszuschläge und Absenkungen sollten laut der Empfehlung erst in einer zweiten Stufe in Kraft treten. Wie vom Berliner Mieterverein vorgeschlagen soll für Modernisierungsmaßnahmen ein Katalog von Zuschlägen entwickelt werden. Das Amt soll auf Antrag von Mieter, Vermieter oder von sich aus die zulässige Höchstmiete feststellen. Für das Absenken plädierten die Juristen für eine Miettabelle mit einem zehnprozentigen Toleranzzuschlag als preisrechtlich zulässige Höchstmiete.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -