Werbung

»Zahlreiche Kinderrechte verletzt«

Bericht an die UN kritisiert hohe Armut von Heranwachsenden in Deutschland

  • Alina Leimbach
  • Lesedauer: 3 Min.

Lange Zeit galten Kinder nur als Anhängsel der Eltern - ohne eigenen Willen, ohne eigene Rechte. Die UN-Kinderrechtskonvention räumt ihnen genau die mittlerweile seit 30 Jahren ein. Dazu gehört: das Recht auf Persönlichkeitsentwicklung, das Recht auf Bildung und einen bestimmten Lebensstandard oder Schutz im Krieg und auf der Flucht. Auch die Bundesrepublik Deutschland hat die UN-Kinderrechtskonvention vor rund 30 Jahren unterzeichnet und sich damit verpflichtet, sie umzusetzen.

Doch in ihrem Ergänzendem Bericht an die Vereinten Nationen üben mehr als 100 Verbände der Zivilgesellschaft in der »National Coalition« scharfe Kritik an der Umsetzung der UN-Konventionen hierzulande: »Der Bericht zeigt, dass auch 30 Jahre nach Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention zahlreiche Kinderrechte in Deutschland verletzt werden«, attestiert die »National Coalition« am Dienstag. Besonderen Fokus legt der Report an die UN auf Kinderarmut, ungleiche Bildungschancen und die Erfahrung von Diskriminierung. »Trotz Wirtschaftswachstum und sinkender Arbeitslosigkeit steigt die Kinderarmut seit Jahren an«, so der Bericht. Dies habe »gravierende Folgen für das gesamte weitere Leben von Kindern und die Verwirklichung einer Vielzahl von Kinderrechten« wie Bildung, Gesundheit aber auch soziale Teilhabe.

Bei der Analyse beschränkt sich der Bericht nicht nur auf die Kinder selbst, sondern benennt auch die Ursprünge von Kinderarmut: »Kinderarmut hängt unmittelbar mit der Armut der Eltern zusammen.« Die Zahlen, die der Bericht dazu aufführt, sind ernüchtern in ihrer Kompaktheit: Gut 40 Prozent der Familien mit alleinerziehendem Elternteil und etwa 30 Prozent der Familien mit drei Kindern oder mehr gelten demnach als arm, ebenso wie fast 30 Prozent der Kinder mit sogenanntem Migrationshintergrund, liest man im Report.

Die Bundesregierung bekommt in Sachen Anti-Kinderarmuts-Politik ein schlechtes Zeugnis ausgestellt: Bei der Berechnung der Sozialleistungen für Kinder würden bestimmte Ausgaben »willkürlich« herausgenommen. Dazu würden die Kinderregelsätze auf Grundlage einer ohnehin armen Vergleichsgruppe berechnet. »Das sozialrechtliche Existenzminimum ist damit äußerst knapp bemessen.«

Auch Hartz IV-Sanktionen werden in dem Report an die UN explizit kritisiert: »Von den Kürzungen ist ein hoher Anteil von Kindern und Jugendlichen betroffen.« Denn wenn die Eltern sanktioniert werden, leiden auch die Kinder automatisch mit. Das kindliche Existenzminimum werde »massiv« unterschritten, »wenn die ohnehin schon knappen Sozialleistungen aufgrund von Sanktionen weiter gekürzt werden«.

Die Bundesregierung hatte im April dagegen in ihrem eigenen Bericht an die UN auf ihre Anstrengungen verwiesen: Es sei der Bundesregierung »ein zentrales Anliegen, dass alle Kinder mit einem angemessenen Lebensstandard aufwachsen können«. Als eine Maßnahme »zur Bekämpfung von Kinderarmut« nennt sie darin das verbesserte Bildungs- und Teilhabepaket. Die »National Coalition« kritisiert jenes als unzureichend.

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverband, Ulrich Schneider kritisiert gegenüber »nd« die im Report festgestellte hohe Kinderarmut in Deutschland als Menschenrechtsverstoß: »Wenn in diesem fünftreichsten Land der Welt fast die Hälfte der Alleinerziehenden und ein Drittel der kinderreichen Familien in Armut leben müssen, ist das ein politischer Verstoß gegen Menschenrechte.« Wer Kinder über längere Zeit in Armut belässt, raube ihnen ihre Kindheit. Die Zeit sei reif für eine Kindergrundsicherung. Auch müsse endlich ein Rechtsanspruch auf Teilhabe im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankert werden.

Auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag und kinderpolitische Sprecherin der Partei, Katja Dörner, sagte »nd«: »Es bringt nichts, wenn die Bundesregierungen nur an kleinen Stellschrauben bei den Leistungen für Kinder und Familien dreht. Wenn wir Kinderarmut konsequent bekämpfen wollen, brauchen wir eine Kindergrundsicherung.« Diese müsse automatisch ausgezahlt wird. »Der Bericht muss ein Weckruf an die Bundesregierung sein, hier endlich zu liefern.«

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.