Zärtlich, bei aller akustischen Gewalt

Swans

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 2 Min.

Auf dem Weg zu einem Swans-Konzert konnte man sich routiniert vorfreudig darauf einstellen, verlässlich plattgewalzt zu werden. Michael Gira fungierte auf der Bühne nicht erst seit der Band-Reunion 2010 als eine Art sadomasochistischer Zirkusdompteur, der mit ausladenden Gesten und wildem Gefuchtel seine Musiker, zuletzt ausnahmslos Männer, dirigierte und auch mal theatralisch gegen das Schlagzeug trat, wenn es nicht so lief wie geplant. Es war wirklich sagenhaft laut. Wenn einen das erhabene Spektakel auf dem falschen Fuß erwischte, wirkte das alles nervtötend und prätentiös. Wenn es verfing, spielten die Swans immer das Konzert des Jahres. Dann war es sagenhaft laut - und kaputt und schön. »It’s like being beaten to shit, but in a good way«, hat ein Fan es einmal formuliert.

Der Masochismus, der bei dem ganzen »Hör mit Schmerzen«-Gestus mitschwang, unterlief das maskulinistische Härte-Ideal immer zumindest graduell. Und auch sonst war eine subtilere Ebene in dieser Musik präsent. Ganz direkt in den ruhigeren, kürzeren Songs der Swans. Aber der Lärm der Swans, war, wenn man die Tinnitus-Angst in den Griff bekam und genau hinhörte, fein gewoben.

2017 verkündete Michael Gira wieder einmal das Ende der Swans in ihrer damaligen Gestalt. Das neue Album »Leaving Meaning« wurde aufgenommen mit einer kleinen Rumpfmannschaft aus bekannten Mitstreitern (Kristof Hahn zum Beispiel ist schon seit 1989, Norman Westberg seit 2010 dabei; Larry Mullins spielte bei Giras Interimsband Angels of Light) und vielen Gästen, die der Musik hörbar gut tun. Das australische Impro-Jazz-Trio The Necks etwa spielt beim Titelstück mit, das in seinem überraschend dezenten Gestus zum Besten gehört, was Gira seit Jahren geschrieben hat.

Überhaupt bleibt der Vorschlaghammer auf »Leaving Meaning« weitgehend eingepackt. Songs wie »The Hanging Man« und »Sunfucker« (mit Gesang von Anna und Maria von Hausswolff) ergehen sich zwar wieder in endloser Wiederholung, was bei entsprechender Lautstärke wieder einmal bezaubernd niederdrückend wirkt. Ansonsten finden sich dissonant orchestrierte Passagen, die zwar ordentlich schädeln (auf »The Nub« etwa, wieder gespielt von The Necks und gesungen von Baby Dee), aber nicht verdecken, dass »Leaving Meaning« über weite Strecken ein geradezu zärtliches Album geworden ist. Bei aller akustischen Gewalt, die da untergründig noch immer unter der Oberfläche angespannt vor sich hin blubbert und punktuell durchbricht.

Swans: »Leaving Meaning« (Young God Records)

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