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»Sie benutzen den Regenwald …
Kathrin Gerlof über die Gefährdung der Erde, das menschliche Maß und den wahren Schuldigen
… als gottverdammtes Holzlager. In der Ozonschicht ist ein Loch - EIN VERFICKTES LOCH - und die Ozeane ... die wenigen Fische, die es darin noch gibt, haben sie auf eine Zwangsdiät aus Kloake, Rohöl und alten Kühlschränken gesetzt.« In John Nivens Roman »Gott bewahre« ist der Allmächtige ziemlich wütend, als er von seinem Angelurlaub zurückkommt. So wütend, dass er Jesus, der es sich gerade mit Jimmy Hendrix bequem gemacht hat, noch mal auf die Erde schickt, um sie in Ordnung zu bringen.
Im Himmel ticken die Uhren bekanntlich anders, weshalb SEIN Angelurlaub zu Beginn der Renaissance begann und im Jahr 2011 endete. Ausreichend Zeit, die Erde zu einer Müllhalde umzugestalten. Gott hätte die Bibel lesen müssen, die er als Romanfigur aber für ausgedachten Quatsch hält, schließlich sei sein einziges Gebot gewesen: »Liebt Euch!«
In den alten Schriften steht jedoch, dass der Mensch von Anfang an seiner Bestimmung ausgewichen ist, den Planeten, der dort Schöpfung heißt, zu erhalten. Selbst die Evangelische Kirche Deutschlands kommt zu dem Schluss, dass wir damit nicht nur unser eigenes Dasein, sondern die Erde überhaupt veräußern.
Genug der traurigen Geschichten, die Sätze sollten flattern und ermutigen. Und ermutigend ist zu wissen, dass es schon lange vor unserer Jetztzeit Menschen gegeben hat, die vernünftig nachgedacht und kluge Empfehlungen ausgesprochen haben. Starrt man zu lange auf die Protokolle der Plenardebatten, könnte man das glatt vergessen.
Vor 40 Jahren zum Beispiel schrieb ein Mann namens Hans Jonas ein Buch, das den Titel »Das Prinzip Verantwortung« trug. Er empfahl - das klingt erst einmal sehr martialisch - eine »Heuristik der Furcht«. Nicht davor, dass unser Breitwandfernseher ausgerechnet am Sonntag schlappmacht oder Billigflüge drei Euro teurer werden. Stattdessen war Jonas zu folgender Erkenntnis gelangt: »Der schlechten Prognose den Vorrang zu geben gegenüber der guten, ist verantwortungsbewusstes Handeln im Hinblick auf zukünftige Generationen. Denn man kann ohne das höchste Gut, aber nicht mit dem höchsten Übel leben.«
Unser höchstes Gut scheint gegenwärtig zu sein, mehr als 250 Tonnen Kohle in der Sekunde zu verballern, hierzulande ein Schwein für den Preis von 1,50 Euro (mit Arbeitskräften, die mit Hilfe des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in den Fleischfabrikationen für miesen Lohn und unter unwürdigen Bedingungen schuften) schlachten zu lassen und es toll zu finden, wenn ein Mensch in Deutschland jährlich 8,9 Tonnen CO2 ausstößt. Weil es ja in Äthiopien nur 0,1 Tonnen pro Mensch und Jahr sind, das hebt sich dann also wieder auf.
Solange die Äthiopier nicht austicken, können wir weitermachen wie bisher. Das höchste Übel - bittesäähr - wird erst viel später eintreten. Da sind wir, die wir es bequem finden, von München nach Nürnberg mit dem Flugzeug zu reisen (150 Kilometer), längst vermodert oder haben mit Jesus und Jimmy eine Verabredung zu einem Gig im Himmel. Je nachdem, woran wir glauben.
Vor knapp 50 Jahren erschien das Buch »Small ist beautiful. Die Rückkehr zum menschlichen Maß« von Ernst Friedrich Schumacher. Auch so ein Kluger, der schon damals befürchtete, dass wir, die wir uns für die Krone der Schöpfung halten, zu Plünderungsgemeinschaften mutieren. Schumacher konstatierte vor einem halben Jahrhundert, dass sich der Sieg des Menschen über die Natur abzeichne und damit unersetzliches Kapital (Boden, Rohstoffe, Wasser, Wälder, Planet eben) aufgezehrt sei. Futsch und weg.
»Ich verschwinde, um ein paar Forellen aus dem Fluss zu fischen, und die Erde rauscht komplett den Bach runter?« So beschreibt es Gott in John Nivens Roman, dessen einziger Nachteil ist, dass wir wieder eine Ausrede haben: Gott ist schuld. Er hätte wirklich nicht angeln gehen dürfen.
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