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Straflosigkeit für die Bosse
LINKE-Anfrage: 2008 bis 2017 kam es nur zu elf Verurteilungen wegen Union Busting
Es ist ein Urteil, das so nur selten in Deutschland vorkommt: Im Mai entschied das Arbeitsgericht Gießen zugunsten eines stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden. Seine ehemalige Arbeitgeberin, Betreiberin von Senioreneinrichtungen, und deren ehemaliger Rechtsanwalt hatten ausgeheckt, wie sie den Arbeitnehmervertreter loswerden wollten. Eingeschleuste Lockspitzel sollten ihn in Verruf bringen, ihm einen Verstoß gegen das betriebliche Alkoholverbot in die Schuhe schieben und eine Schlägerei mit ihm anfangen. Doch aus all dem wurde nichts. Stattdessen sprachen die Richter dem Betriebsrat einen Schadenersatz in Höhe von 20 000 Euro zu.
Doch obwohl es illegal ist, müssen Arbeitgeber meist nicht fürchten, wegen sogenannten Union Bustings verurteilt zu werden. Zwischen 2008 und 2017 erteilten Richter hierzulande insgesamt nur elfmal eine Geldstrafe wegen der Behinderung von Betriebsratsarbeit. Dies geht aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor, die »neues deutschland« vorliegt.
Der Begriff Union Busting kommt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt Gewerkschaften sprengen, bekämpfen, kaputtmachen. Gemeint ist das systematische, geplante Vorgehen gegen gewerkschaftliche Interessenvertretungen. Hierzulande geht es meist um die Be- und Verhinderung von Betriebsräten. Oft versuchen die Chefs, bereits die Gründung einer Arbeitnehmervertretung im Keim zu ersticken, indem Kandidaten eingeschüchtert oder gleich ganz gefeuert werden.
Im Fall der Hostel-Kette wombat’s zum Beispiel gehen Beobachter davon aus, dass die Leitung deren Dependance in Berlin-Mitte im August allein deswegen schloss, weil deren Betriebsrat zu kämpferisch war. Und der Billigflieger Ryanair weigert sich so beharrlich gegen einen Betriebsrat, dass die Bundesregierung Ende vergangenen Jahres extra ein Gesetz änderte, das es nun auch Beschäftigten in der Flugbranche erlaubt, einen Betriebsrat zu gründen, ohne dafür einen Tarifvertrag mit dem Arbeitgeber abzuschließen. Doch das hiesige Kabinenpersonal des irischen Billigfliegers wartet immer noch auf einen Betriebsrat.
Ryanair und wombat’s sind keine Einzelfälle. Eine etwas ältere Befragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts unter 159 hauptamtlichen Gewerkschaftern ergab, dass jede sechste Betriebsratsgründung vom Chef sabotiert wird. Die Hälfte der Arbeitgeber nahm bei ihren Störaktionen externe Hilfe durch Anwaltskanzleien oder Beratungen in Anspruch. Die delinquenten Unternehmen waren überproportional häufig inhabergeführt und hatten meist 50 bis 200 Beschäftigte.
Für so etwas droht Managern wie Ryanair-Chef Michael O’Leary, der schon mal behaupte, eher werde die Hölle zufrieren, als dass er Gewerkschaften in seinem Betrieb zulasse, zumindest theoretisch Gefängnis. Wer eine Wahl oder die Tätigkeit eines Betriebsrats behindert, werde mit einer »Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe« bestraft, heißt es im Paragrafen 119 des Betriebsverfassungsgesetzes. Gleiches gilt, wenn man die Wahl mit Bestechungen oder Drohungen beeinflusst. Doch ist das Gesetz meist nur ein Papiertiger.
»Das Verhindern von Betriebsratswahlen oder das Sabotieren von Betriebsratsarbeit sind keine Kavaliersdelikte«, sagt der gewerkschaftspolitische Sprecher der LINKEN im Bundestag, Pascal Meiser. Wenn Arbeitgeber die betriebliche Mitbestimmung mit Füßen treten, dann seien die geltenden Straftatbestände auch konsequent anzuwenden. »Das passiert bisher erschreckend selten.«
LINKE-Politiker Meiser spricht sich deshalb für Schwerpunktstaatsanwaltschaften gegen Union Busting aus - eine Sache, die auch der Deutsche Gewerkschaftsbund schon seit Längerem fordert. Die Behörden »müssen bei Verdachtsfällen auch von sich aus ermitteln können. Nur so lässt sich konsequent gegen die Behinderung von Betriebsräten vorgehen«, erklärt Meiser. Denn ein weiteres Problem bei der Verfolgung von Union Busting ist, dass die Straftat nur auf Antrag einer Arbeitnehmervertretung oder einer Gewerkschaft geahndet wird. Das heißt, dass Staatsanwaltschaften derzeit nicht von selbst tätig werden.
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