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Gegen Nazis und Perspektivlosigkeit
Auf einer Konferenz sucht die LINKE nach Strategien gegen den wachsenden Einfluss der extremen Rechten
»Wer sagt, eine Demo bringt nichts, hat keine Ahnung«, sagt Maximilian Schirmer. »Jede Form rechter Außenwirkung, jedes Gefühl rechter Überlegenheit muss infrage gestellt werden, sonst müssen es andere als wir ausbaden.« Schirmer ist Bezirksverordneter der Linksfraktion in Pankow und Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Antifaschismus der LINKEN. Zusammen mit Genoss*innen, Mitgliedern und Interessierten diskutiert er am Samstag auf einer Konferenz in Moabit über Strategien gegen Rechts. Das Motto: »Dem Rassismus auf der Straße, im Betrieb und im Parlament entgegentreten«.
In diesem Moment geht es um den Bereich »Auf der Straße«. Eine junge Frau, die erst seit kurzem Mitglied der LINKEN ist, hatte sich beklagt, dass viele ihrer Freund*innen meinten, es lohne sich nicht, an Protesten gegen rechte Aufmärsche teilzunehmen. Sie sei frustriert von dieser Trägheit. Ihr Eindruck: Vielen falle es leicht, ein Shirt mit einem antifaschistischen Motto anzuziehen, würden sich aber nicht fragen, wie sie selbst konkret etwas ändern könnten.
Anne Helm, LINKE-Sprecherin für Medien und Strategien gegen Rechts, kennt solche Argumentationen auch aus ihrer eigenen Partei: »Die meisten sagen von sich, dass sie Antifaschisten sind. Ich höre oft Sätze wie: ›Wir wissen schon, wie das geht.‹ Aber das stimmt nicht.« Helm hat die Konferenz mit vorbereitet, auch, weil sich immer mehr zivilgesellschaftliche Initiativen an sie gewandt hätten, erzählt sie. »Viele öffentlich geförderten Initiativen sehen sich Anfeindungen durch die AfD ausgesetzt«, sagt sie. Mit parlamentarischen Anfragen versuchen die Rechten gezielt, demokratische Projekte infrage zu stellen.
Auch von Mitgliedern sei das dringende Bedürfnis geäußert worden, zu einem strategischen Austausch zusammenzukommen, erzählt Helm. Schließlich hat die AfD in Kreistagen, in Bezirks- und Stadtverordnetenversammlungen sowie in Gemeindevertretungen in den vergangenen Jahren massiv an Einfluss gewonnen. »Es gibt einen großen Bedarf, vor allem auf kommunaler Ebene, zu klären: Was sollen, was können wir tun, wie können wir die Auseinandersetzungen mit der extremen Rechten führen?«, so Helm.
Man kann sich zum Beispiel Expert*innen wie Tilo Giesbers und Anita Taschke einladen. Gemeinsam haben die beiden in diesem Jahr eine Broschüre geschrieben, die sich der Frage des Umgangs mit Rechtsextremen in kommunalen Gremien widmet. In ihrem Workshop sitzt neben verschiedenen Bezirksverordneten der Linksfraktion auch die Landesvorsitzende Katina Schubert. Gemeinsam diskutieren sie Fragen wie: Wodurch unterscheidet sich die Auseinandersetzung mit der AfD von der mit der NPD oder den Republikanern? Reicht es, den Kontakt mit AfD-Abgeordneten oder ihren Mitarbeitern zu meiden?
»Es ist wichtig, sich mit einzelnen Personen auseinanderzusetzen«, meint Giesbers. »Das eine tun, heißt aber nicht, das andere zu lassen.« Giesbers, der im Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz) arbeitet, setzt neben einem klaren Umgang vor allem auf Information: »Sehr viele, die jetzt für die AfD antreten oder arbeiten, kommen von der NPD, der DSU oder den Republikanern. Das belegen antifaschistische Recherchen, die jedem zur Verfügung stehen.«
Auch die Thüringer Bundestagsabgeordnete Martina Renner und Gerd Wiegel, Referent der Linksfraktion im Bundestag, sind Expert*innen im Umgang mit der parlamentarischen Rechten und deren Verbindungen zu außerparlamentarischen rechten Netzwerken, von denen seit jeher konkreter Terror ausgeht. Beide machen sich vor dem Hintergrund ihrer Expertise für konkrete politische Verantwortung stark: Vom Schutz für Betroffene und Bedrohte von rechter Gewalt über Einstellungsuntersuchungen und Dienstentfernung von nachweislich rechten Beamt*innen bis hin zu Infrastrukturpolitik - hier, so Renner, müsse die LINKE liefern.
Für Gerd Wiegel ist auch eine klare Ablehnung des Extremismus-Ansatzes, der Links und Rechts gleichsetze, innerhalb der Partei zentral. »Wir müssen eine Auseinandersetzung mit Inhalten, statt mit äußerlichen Formen führen«, so Wiegel. »Wenn mir eine linke politische Aktion als zu radikal erscheint, muss ich sie trotzdem nicht verurteilen und damit den Rechten in die Hände spielen«, findet er. Wenn es die LINKE schaffe, sichtbarer Teil gesellschaftlicher Auseinandersetzungen und damit verbundener sozialer Kämpfe zu werden, könne es vielleicht auch gelingen, eine positive Zukunftsvision zu formulieren, glaubt Wiegel. Denn diese sei der LINKEN in weiten Teilen abhanden gekommen.
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