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Im trüben Wasser der Gegenaufklärung
Tadzio Müller über offensichtliche und subtile Formen, die globale Klimakrise zu leugnen
Klimawandelleugner, so denken wir gerne, stehen rechts. So wie US-Präsident Donald Trump, der sagt, der Klimawandel sei eine chinesische Erfindung, um amerikanische Jobs zu stehlen. Oder die AfD-Politikerin Beatrix von Storch, die vorschlägt, wegen der Klimakrise die Sonne zu verklagen. Und auch Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, für den Klimapolitik einer strategischer Hebel des »Kulturmarxismus« ist, um die Welt in eine bolschewistische Dystopie zu verwandeln. Von links gesehen macht das Sinn, waren es doch immer die in der Tradition der Aufklärung stehenden gesellschaftlichen Kräfte - Liberalismus, Sozialismus, Feminismus usw. - die sich der Wahrheit verschrieben hatten, während »die andere Seite« im trüben Wasser der Gegenaufklärung fischte: Nein, die Erde dreht sich nicht um die Sonne; nein, Frauen sind nicht in der Lage, »rational« zu denken; doch, Homosexualität ist heilbar. Alles natürlich Quatsch.
Vor allem in Deutschland, in dem Land, das so lange mit dem ungerechtfertigten Image des Ökoweltmeisters hausieren ging, denken wir gerne, dass - im Gegensatz zu den USA, wo Leugnen des Klimawandels im Grunde konservativer Mainstream ist - das Verneinen des Klimawandels den Vollidioten um die AfD-Granden Björn Höcke und Alexander Gauland vorbehalten ist. Klar, es mag uns hierzulande schwerfallen, angesichts unserer wirtschaftlichen Interessen, relevante Schritte in der Klimapolitik einzuleiten. Aber den menschengemachten Klimawandel zu verneinen, das würde hier keiner vernünftigen Politikerin einfallen.
Mit der Leugnung des Klimawandels ist es aber ein bisschen wie mit Rassismus, Sexismus oder Homophobie - sie nimmt unterschiedliche Formen an und ist dann doch weiter verbreitet, als es uns aufgeklärten Menschen lieb wäre. Es stimmt zwar, dass die zwei offensichtlichsten Formen der Klimawandelleugnung vor allem der AfD und ihrem Umfeld vorbehalten sind: Dort wird entweder der anthropogene Klimawandel an sich verneint. Oder es wird akzeptiert, dass sich das Klima verändert - und zwar derzeit schneller als sonst. In der Rechtspartei ist man jedoch der Auffassung, dass der Mensch damit nichts zu tun hat, sondern die Sonnenflecken, die »natürliche Klimavariation«, der liebe Gott oder die Eidechsenmenschen.
Wenn aber (fast) alle hierzulande wissen, was der Klimawandel ist, woher er kommt und vielleicht sogar, wie er sich stoppen ließe - warum ist es dann so, dass es immer noch keinen wirklichen Klimaschutz gibt? Warum haben wir in Deutschland statt eines ambitionierten Klimapakets ein mickriges Klimapäckchen? Warum kann die Bundesregierung ihre selbstgesteckten Klimaziele aufgeben und es geht kein Aufschrei durch die Bevölkerung?
Natürlich hat das viel mit der Wirtschaft zu tun: Ob Eigentümerin, Aktienbesitzer oder Angestellte beispielsweise in der deutschen Autobranche - gerade weil radikaler Klimaschutz nicht ohne massive Produktionseinschränkungen zu machen ist, stehen hier knallharte Interessen gegen klimagerechte Politik.
Jenseits dieses kritikwürdigen aber nachvollziehbaren Versuchs, die eigenen, im globalen Vergleich meist recht guten Lebensumstände zu verteidigen, gibt es aber eine subtile Form der Klimaleugnung, die mir, obwohl ich seit zwölf Jahren im Themenfeld arbeite, erst in den vergangenen Monaten klar geworden ist: Nicht der Klimawandel wird geleugnet, auch nicht die Tatsache, dass wir dafür verantwortlich sind. Sondern seine katastrophale und rapide eskalierende Dimension wird ignoriert. Dann heißt es eben Klimawandel und nicht Klimakrise. Dann führt unkontrollierbarer Klimawandel eben nicht zum Kippen des globalen Klimasystems in einen instabilen Zustand, in dem, wie gerade von 11 000 Wissenschaftlern betont wurde, »unsägliches menschliches Leid« droht.
Doch warum ist diese Position so weit verbreitet? Sie hat den Vorteil, dass damit Klimapolitik wie ein ganz normales Politikfeld behandelt werden kann, mit Themenkonjunkturen, Kompromissmöglichkeiten und - ganz wichtig - ohne Infragestellung des gesamten Fundaments, auf dem der Kapitalismus basiert: der Logik unendlichen Wachstums auf einem endlichen Planeten. Sie hat den Vorteil, vor der Wahrheit zu schützen. Sie hat den Vorteil, unsere unethische »Externalisierungsgesellschaft« nicht wirklich infrage zu stellen.
Willkommen in der Gegenaufklärung.
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