Gegen Posemuckel!

Ein Sammelband: Schöne Texte von Wiglaf Droste

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 2 Min.

Einer, der gern nach allen Seiten austeilte und sich mit den humorlosen Kreuzberger Autonomen und linksradikalen »Struppis« (W. Droste) ebenso anlegte wie mit den humorlosen Biedermännern und -frauen des bundesdeutschen Establishments, war Wiglaf Droste, der über viele Jahre hinweg für die Tageszeitungen »Junge Welt« und »Taz« als Kolumnist tätig war und im Mai dieses Jahres nach langjähriger Krankheit verstarb. Er war, was sein Talent zur wohlformulierten Polemik und zur kunstvollen Beleidigung anging, eine Ausnahmeerscheinung. Über die Provinzialität und Posemuckeligkeit der Linken machte er sich lustig, aber auch über die Dicktuerei der Mächtigen und des ihnen angeschlossenen Speichelleckertums, also der Poschardts und Martensteins.

Drostes Urteil über seine Zeitgenossen oder -genossinnen fiel oft wenig schmeichelhaft aus, und oft war es härter, wenn der oder die Betreffende, über den oder die das Urteil gefällt wurde, sich in Drostes Augen wiederholt als bereitwillig funktionierendes Rädchen im Getriebe erwiesen hatte. Oder als betriebsnudeliger Wichtigtuer und berufsmäßiger Aufschneider. Für diese Sorte angepasstes Maulhelden- und Vollstreckungsbeamtentum hatte er kein Verständnis. Beim Betrachten des grün wählenden Lehrermilieus kam ihm rasch der »Verdacht, Gesundheitsfixiertheit und blanke Dummheit speisten sich aus ein und derselben Quelle«.

Und über die Popmusikzeitschrift »Spex« schrieb er: »Den Mitgliedern dieser Redaktion kann man mittlerweile auch Gurkenscheiben vorspielen, wenn’s ihnen nur die Möglichkeit bietet, das - und damit sich selbst - als hip zu etikettieren.« Auch Phänomene wie die Love Parade (»Jugend trainiert für Karneval«), Wolf Biermann (»steht politisch in der Nähe jeder Fernsehkamera«), Diedrich Diederichsen (»Klassensprecher auf Lebenszeit«) und die Neonazis (»Wer vom Lager für andere träumt, kann gerne selbst hinein«) kamen nicht besser weg.

Bei der Wiederlektüre der ausgewählten Droste’schen Texte aus den Jahren 1989 bis 2015, die in diesen Sammelband Eingang gefunden haben, fällt auf: Wenn der Mann schrieb, fielen dabei auch immer wieder wunderbare Aphorismen ab, die heute nicht weniger gültig scheinen als zur Zeit ihres Entstehens: »Verstand heißt die Hürde, die nehmen muss, wer das vielgepriesene positive Denken hinkriegen möchte.« Oder: »Terrorismus ist das Endstadium der Humorlosigkeit.«

Wiglaf Droste: Die schweren Jahre ab dreiunddreißig. Edition Tiamat, 250 S., br., 18 €.

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