Orang-Utans gehen baden

Ein chinesisch-indonesisches Wasserkraftprojekt auf Sumatra zerteilt den Lebensraum einer seltenen Menschenaffenart.

  • Michael Lenz
  • Lesedauer: 4 Min.

Unterstützer der Protestbewegung in Hongkong und Orang-Utan-Experten haben unter Umständen etwas gemeinsam: Sie bekommen den Zorn Pekings zu spüren. Das erleben gerade die Gegner eines von der Bank of China finanzierten Staudammprojekts im Verbreitungsgebiet der Tapanuli-Orang-Utans im bergigen Batang-Toru-Wald südlich des Tobasees auf Sumatra. Erst vor wenigen Tagen setzte die Weltnaturschutzunion IUCN die Tapanuli-Orang-Utans mit ihren nurmehr 767 Exemplaren auf die Liste der am meisten gefährdeten Primatenarten der Welt. Das betroffene Gebiet ist mit einer Fläche von rund 1023 Quadratkilometern halb so groß wie der Harz.

Die Schweizer Natur- und Tierschutzorganisation PanEco, die sich bislang stark für den Schutz der Orang-Utans auf Sumatra engagierte, war zunächst Wortführer der Kampagne gegen das Wasserkraftprojekt. Nun betrachten Wissenschaftler und andere Organisationen mit Sorge die 180-Grad-Wende: PanEco ist seit Ende August dieses Jahres ein Partner des Staudamm-Bauherrn.

Der 1,5 Milliarden US-Dollar teure 510-Megawatt-Damm des indonesischen Wasserkraftunternehmens PT North Sumatra Hydro Energy ist Teil des weltumspannenden Infrastrukturprojekts »Neue Seidenstraße«, mit dem China seine globale Wirtschaftsmacht ausbaut. Kritik an dem international »One belt, one road« genannten Projekt wird von China mit allen Mitteln unterdrückt.

Erst 2017 war Wissenschaftlern - darunter Experten von PanEco - der Nachweis gelungen, dass es sich bei den Tapanuli-Orang-Utans um eine eigene Art handelt. »Eine der vielen negativen Auswirkungen des Projekts wird die dauerhafte Fragmentierung des Ökosystems der Affen sein, was es so gut wie unvermeidlich macht, dass einzelne Subpopulationen zum Aussterben verurteilt werden«, warnen die Orang-Utan-Experten von ALERT (Alliance of Leading Environmental Researchers & Thinkers).

Das war bis vor kurzem auch der Standpunkt von PanEco. Noch am 3. Mai dieses Jahres hieß es auf deren englischer Webseite: »Die Studie thematisiert auch die größten Bedrohungen der Tiere: Waldverlust, Wilderei und den Bau eines Staudamms in der Mitte des Gebiets. Die Frage muss gestellt werden: Was können wir für die Erhaltung und den Schutz des Pongo tapanuliensis und seines Lebensraums tun? Die Studie gibt auch die Antwort: Der Bau des Damms muss gestoppt werden, das gesamte Gebiet muss geschützt werden.«

Nur knapp vier Monate später, am 23. August, gab PanEco die »Neue Privat-Public-Partnerschaft zur Sicherung der Zukunft der seltensten Menschenaffen und ihres Lebensraums« bekannt. Man habe sich »nach intensiven Gesprächen mit allen Beteiligten« entschieden, »den Weg der Kooperation mit der Kraftwerkfirma und der indonesischen Regierung zu gehen«. In einem »Memorandum of Understanding« seien »grundlegende Maßnahmen« zum Schutz der Orang-Utans festgelegt worden. Regina Frey, Gründerin von PanEco, wurde mit dem Satz zitiert: »Diese Zusammenarbeit könnte Modellcharakter haben für zukünftige Konflikte zwischen Wirtschaft und Naturschutz überall auf der Welt.«

ALERT hingegen warnt vor weitreichenden negativen Konsequenzen: »Die Aufkündigung der Partnerschaft zwischen PanEco und anderen Wissenschafts- und Naturschutzgruppen ist ein äußerst besorgniserregender Präzedenzfall bei der Unterdrückung kritischer Stimmen in Entwicklungs- und Naturschutzdebatten und ein klassischer Fall von aggressivem Greenwashing.« Die Wissenschaftler machen aus ihrem Verdacht keinen Hehl, dass es sich bei den »intensiven Gesprächen« schlicht um Erpressung von Seiten des indonesischen Energieunternehmens gehandelt habe, die von Klageandrohungen bis zur Ausweisung kritischer Mitarbeiter reichten. ALERT-Gründer Bill Laurance schreibt in einer E-Mail an »neues deutschland«: »Durch mehrere Kollegen haben wir erfahren, dass von PT NSHE und seinen Verbündeten mannigfaltiger Druck auf PanEco ausgeübt wurde.« Kritische Experten wie Dänin Gabriella Fredirksson - eine der Mitentdeckerinnen der Tapanuli-Orang-Utans - hätten PanEco Anfang Mai von einem Tag auf den anderen verlassen. »Sie wurden gefeuert«, schreibt Laurance, der an der australischen James-Cook-Universität forscht. Eine Bitte um Stellungnahme des »nd« an PanEco blieb unbeantwortet.

Laurance berichtet auch, dass Druck auf ALERT-Wissenschaftler und Medien ausgeübt worden sei. Bei Treffen hätten sich Politiker »höchst aggressiv verhalten«. ALERT-Experten seien zudem von wichtigen Besprechungen über das Staudammprojekt ausgeschlossen worden. Ein Treffen zwischen von ALERT und PT North Sumatra Hydro Energy sei an der »Bedingung gescheitert, das Gespräch mitzuschneiden und zu veröffentlichen«. Redakteure der »Jakarta Post« und der in Hongkong erscheinenden »South China Morning Post«, so Laurance, »haben mir unter vier Augen gesagt, sie stünden unter heftigem Druck, keine negativen Artikel über das Batang-Toru-Projekt zu veröffentlichen«.

Die Bauherren des Damms verweisen auf indonesische Wissenschaftler, die keinerlei Gefahren für die Tapanuli-Orang-Utans sehen. Haryanto Putro vom Institut für Forstwirtschaft der staatlichen Landwirtschaftsuniversität (IPB) in Bogor kam in einer Studie zu dem Schluss, durch den Damm werde nur 0,1 Prozent des Habitats der Menschenaffen gefährdet.

Am 6. Oktober starb unter dubiosen Umständen Golfrid Siregar, der drei Tage zuvor bewusstlos auf einer Straße in Nordsumatra gefunden worden war. Der 34 Jahre alte Rechtsanwalt vertrat die indonesische Umweltorganisation Walhi bei ihrer Klage gegen die Baugenehmigung für das Batang-Toru-Wasserkraftwerk durch den Gouverneur von Nordsumatra.

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