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Bevölkerung kaum gewachsen
Atempause für den Berliner Wohnungsmarkt deutet sich an
Berlin ist im ersten Halbjahr 2019 nur noch wenig gewachsen. Das Statistische Landesamt Berlin-Brandenburg zählte von Jahresbeginn bis zur Jahresmitte unter dem Strich nur 7814 mehr Berliner, ein Wachstum um 0,2 Prozent auf nun 3,653 Millionen Menschen. »Berlin ist keine Schwarmstadt mehr«, sagt Jörn Ehlert von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bei der Fachtagung Bauen und Wohnen des Statistischen Landesamts am Montag im Roten Rathaus. Denn Schwarmstädte zeichnen sich durch einen hohen Bevölkerungszuwachs aus dem Inland aus, in Berlin sorgte jedoch allein der Zuzug aus dem Ausland für mehr Einwohner.
Das liegt auch nicht am Effekt des Einwohnermelderegisters, dass sich Ausländer beim Zuzug zwar anmelden, beim Wegzug allerdings die Abmeldung vergessen. Denn die Europawahl im Mai sorgte für eine gründlichere Bereinigung bei den Berlinern aus dem EU-Ausland, die nur noch Karteileichen waren. Kamen die Wahlbenachrichtigungen zurück, recherchierten die Einwohnermeldeämter hinterher und strichen über 3000 Menschen mehr aus ihren Registern als üblich.
Es wäre wohl eine gute Nachricht für den Berliner Wohnungsmarkt. Denn damit würden voraussichtlich nach 2018 dieses Jahr zum zweiten Mal in Folge mehr Wohnungen gebaut, als rechnerisch für den reinen Zuzug benötigt werden. Zahlen zu den Baufertigstellungen liegen allerdings noch nicht vor.
Am Platz sollte der Wohnungsbau nicht scheitern. Der im Juli in Kraft getretene gemeinsame Landesentwicklungsplan von Berlin und Brandenburg hat im sogenannten Siedlungsstern, der die Hauptstadt sowie die strahlenförmig entlang der Eisenbahnstrecken ausgreifenden Siedlungsbänder umfasst, ein Potenzial von 515 000 Neubauwohnungen ausgemacht. »Und das ist noch konservativ gerechnet, Kleingartenflächen sind da gar nicht einbezogen«, sagt Renate Hoff von der gemeinsamen Landesplanungsabteilung.
Falls die Bevölkerungsentwicklung des ersten Halbjahres in der Hauptstadt der Beginn eines neuen Trends sein sollte, dann hat der Senat mit der mittleren Variante der Bevölkerungsentwicklung, die von rund 3,83 Millionen Einwohnern im Jahr 2030 ausgeht, die richtige Basis für die prognostizierten Wohnungs- und Infrastrukturbedarfe gewählt. In den vergangenen Jahren seit 2015 war der Zuwachs zunächst stürmischer als erwartet verlaufen.
»Der aktuell im Gespräch befindliche Mietendeckel kann allerdings einen Einfluss haben«, gibt Jörn Ehlert zu bedenken. Bei den Statistikern gibt es zumindest die Vermutung, dass die rasant steigenden Mieten in Berlin den Zuzug gebremst, beziehungsweise vor allem den Umzug von Hauptstadtbewohnern ins Umland befördert haben. Dort wuchs die Bevölkerung im letzten Vierteljahrhundert um knapp die Hälfte. Im Speckgürtel wohnen nun fast eine Million Menschen, im berlinfernen Brandenburg ging die Bevölkerungszahl hingegen um ein knappes Fünftel zurück.
Ein Riesenproblem sind die Baulandpreise. Seit 2008 hat sich der Quadratmeterpreis von 200 auf 946 Euro im Jahr 2018 mehr als vervierfacht. In Berliner Innenstadtlagen wie Friedrichshain-Kreuzberg verneunfachte sich der Preis von 2014 bis 2018 sogar - auf 4500 Euro pro Quadratmeter. In Potsdam verdoppelten sich die Preise im gleichen Zeitraum auf über 400 Euro pro Quadratmeter. Auch die Baupreise steigen. Seit 2008 für Wohngebäude in Berlin allein um 30 Prozent.
Für Aufregung sorgten in der vergangenen Woche die sinkenden Zahlen bei Baugenehmigungen für Wohnungen um rund zwölf Prozent im Vorjahresvergleich für die ersten neun Monate. »Der Rückgang hat jedoch rein gar nichts mit dem Mietendeckel zu tun«, so der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. »Die Vorbereitungen für Baumaßnahmen, zu denen Genehmigungen in den ersten neun Monaten dieses Jahres erteilt wurden, laufen seit vielen Monaten, beziehungsweise sogar Jahren, mithin also in einem Zeitraum, als an den Mietendeckel noch gar nicht zu denken war.«
Bei der Tagung wurden auch Ergebnisse des Mikrozensus 2018 präsentiert. Zwischen den großen Volkszählungen wird dafür eine Stichprobe von einem Prozent der Haushalte befragt, um aktuelle Zahlen zu erhalten. Demnach lag die Durchschnittsnettokaltmiete 2018 um fast zwei Drittel höher als im Jahr 2002. Die Statistiker errechneten auch die Differenz der Nettokaltmieten bei verschiedenen Einzugsdaten. Wer ab dem Jahr 2013 in Mitte eine Wohnung bezogen hat, muss 3,22 Euro pro Quadratmeter mehr hinlegen als jene, die schon länger dort wohnen. Ähnlich sieht es in Friedrichshain-Kreuzberg aus. Mit 72 Cent fällt die Differenz in Marzahn-Hellersdorf am geringsten aus. Zahlen, die für die Einführung des Mietendeckels sprechen, wenn das Zentrum der Hauptstadt nicht zur reinen Spielwiese für Reiche verkommen soll.
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