Begrünung der Finanzmärkte

Zentralbanken sollen ihre Geldpolitik in den Dienst des Klimaschutzes stellen.

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 5 Min.

Der Klimawandel beschäftigt mittlerweile auch die mächtigsten Finanzinstitutionen der Welt: die Zentralbanken. Denn eine ungebremste Erwärmung des Globus könnte nicht nur vermehrte Naturkatastrophen nach sich ziehen, sondern auch zu Wirtschaftskrisen und Wachstumsverlusten führen - und damit zu massiven Verwerfungen an den Finanzmärkten. Ökonomen fordern deshalb, dass die Notenbanken ihre Milliardenkredite in den Dienst des Klimaschutzes stellen.

Vom Klima geht für die Finanzmärkte eine doppelte Bedrohung aus. Zum einen werden große Summen in klimaschädliche Geschäftsmodelle investiert. So bereitet Saudi Arabien derzeit den Börsengang des staatlichen Ölkonzerns Aramco vor. Kronprinz Mohammed bin Salman hofft, dass das Unternehmen mit einer Bewertung von mehr als zwei Billionen US-Dollar eines der wertvollsten Börsenunternehmen der Welt wird. Sollte sich jedoch die internationale Staatengemeinschaft für eine radikale Energiewende entscheiden, könnte sich die Hoffnung des Kronprinzen in Luft auflösen.

Ein radikaler Politikwechsel würde aber nicht nur den saudischen Ölkonzern treffen, sondern weltweit alle Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf die Ausbeutung fossiler Energieträger aufbaut. »Folge wäre eine drastische Entwertung produktiven Kapitals«, erklärt die französische Bank Natixis. Die Folge eines solchen Szenarios wäre eine massive Destabilisierung der Finanzmärkte.

EZB-Chefin zeigt sich offen

Im anderen Szenario macht die Politik weiter wie bisher, es kommt zu keinerlei wirksamen Maßnahmen gegen den Klimawandel, es werden weiterhin Erdöl und Kohle verbrannt und die Klimaziele von Paris weit verfehlt. Die Folgen wären ebenfalls massive volkswirtschaftliche Schäden durch die Erderwärmung, die vor allem die Versicherungen in den Abgrund stürzen könnten. In diesem Fall würden allerdings nicht nur die Börsen in Mitleidenschaft gezogen, sondern die gesamte Menschheit und Natur.

Deshalb fordern Politiker und Ökonomen, dass die Zentralbanken klimapolitisch tätig werden. Die neue Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, zeigte sich auch schon offen, mehr zu tun als ihr Vorgänger Mario Draghi. Jede Institution müsse den Klimawandel mit all seinen Risiken ins Zentrum ihrer Aufgaben stellen, sagte Lagarde vor ihrem EZB-Antritt gegenüber dem Europaparlament.

Gefordert wird nun, die EZB möge sogenanntes Green Quantitative Easening betreiben, also Anleihen von »grünen« Unternehmen kaufen. Hintergrund ist, dass die EZB seit Anfang November zur Stützung der Konjunktur wieder Anleihen in Höhe von monatlich 20 Milliarden Euro erwirbt. Sie hat aber nicht nur staatliche Wertpapiere, sondern aus früheren Programmen auch Papiere von Unternehmen in ihren Büchern. Zurzeit beläuft sich deren Wert auf 177 Milliarden Euro.

Daneben wird auch der Ruf laut, dass sich die Klimarisiken auch in den Bilanzen der Banken niederschlagen sollen. Eine Bank, die zum Beispiel besonders viele Papiere von Öl- und Kohlekonzernen hält, sollte demnach mehr Eigenkapital vorhalten müssen als andere und auch bei der Geldvergabe durch die Notenbanken benachteiligt werden.

Eine Befürworterin von Käufen grüner Wertpapiere ist Silke Tober. Solange die EZB sowieso Unternehmensanleihen kaufe, solle sie gezielter grüne Anleihen kaufen, sagt die Geldpolitik-Expertin des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). »Wir brauchen nicht nur mehr Investitionen, sondern vor allem auch Investitionen, die den Klimawandel aufhalten.«

Gegner der grünen Geldpolitik führen an, dass die EZB damit ihr Mandat überschreite, gegen das Prinzip der Marktneutralität verstoßen und die Finanzmärkte verzerren würde. »Eine Geldpolitik, die explizit umweltpolitische Ziele verfolgt, droht überfrachtet zu werden. Und auf Dauer könnte ihre Unabhängigkeit infrage gestellt werden«, sagte Ende Oktober Bundesbank-Chef Jens Weidmann, der als ein prinzipieller Gegner von Anleihenkäufe der EZB gilt.

Das Argument der Marktneutralität lässt IMK-Expertin Tober nicht gelten. Diese sei bei den Anleihenkäufen »generell eine schwierige Sache«, sagt sie. So habe die Europäische Zentralbank hauptsächlich Papiere von großen Konzernen gekauft - allein schon aus dem Grund, weil sich kleine Unternehmen meist nicht über Anleihen finanzieren. Auch Forscher der renommierten London School of Economics haben in einer Studie herausgefunden, dass die EZB tatsächlich gegen das Prinzip der Marktneutralität verstößt - und zwar zum Vorteil von Klimasündern. Demnach stammen 62,1 Prozent der Anleihen, die die EZB bis Anfang 2017 kaufte, von Unternehmen aus dem Verarbeitenden Gewerbe oder der Energiewirtschaft. Diese Branchen machen 58,5 Prozent der Treibhausgase der Eurozone, aber nur 18 Prozent der Wertschöpfung aus.

Zwei praktische Probleme gibt es jedoch bei der grünen Geldpolitik: Erstens ist noch nicht offiziell definiert, was eine grüne Anleihe ist. Zweitens gibt es nur relativ wenige Anleihen von Unternehmen aus der Branche der Erneuerbaren Energien. Ersteres ist die EU-Kommission derzeit im Begriff zu lösen: Sie arbeitet an einer sogenannten Taxonomie, die definieren soll, was eine klimafreundliche Investition ist. Auch das zweite Problem ist laut Tober nicht unüberwindbar. So könnte der Staat die Ausgabe grüner Anleihen fördern sowie kleine und mittlere Unternehmen dabei unterstützen. Auch die Banken könnten einspringen, indem sie klimafreundlichen Unternehmen Kredite geben, diese bündeln und dann als grüne Wertpapiere auf den Finanzmärkten verkaufen.

Doch all das nimmt für Tober die Regierung nicht aus der Verantwortung. »Eigentlich ist hier der Staat viel mehr gefordert als die EZB. Er sollte viel stärker in die Energiewende investieren.«

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