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Von der Wall Street nach Grünheide
Stephan Kaufmann über das Versprechen einer E-Autofabrik in Brandenburg
Eine Lichtgestalt des globalen Unternehmertums beehrt Grünheide: Elon Musk, Chef des E-Auto-Pioniers Tesla, hat den Bau eines Werks südöstlich von Berlin versprochen, und alle sind begeistert. Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke jubelte: »Das erste Mal gelingt es, hier bei uns in Brandenburg zu zeigen, dass Klimaschutz und Schaffung von Wohlstand Hand in Hand gehen.« Hier gilt es einiges zu präzisieren.
Zum Klimaschutz: Nach Brandenburg kommt er nicht in Form von Verkehrswende, Baumpflanzungen oder neuen Bahnverbindungen, sondern in Form einer gigantischen Fabrik zur Herstellung von batteriebetriebenen Quasi-Geländewagen, dem SUV Model Y von Tesla, das in seiner »Performance«-Version immerhin auf 240 Stundenkilometer kommt. In den USA kostet das Modell bis zu 60 000 Dollar, seine Käufer dürften hierzulande daher von der E-Auto-Kaufprämie von 5000 Euro profitieren. Tesla-Chef Musk, laut Finanzdienst Bloomberg auf der Welt-Reichsten-Liste an Nummer 33, kann also damit rechnen, dass der deutsche Staat ihm bei der Verkaufsförderung finanziell beisteht.
Zum Thema Wohlstand: Musks Vermögen von derzeit 27 Milliarden Dollar ist laut Bloomberg »self made«, also nicht geerbt, sondern selbst verdient. Ein wenig haben ihm wohl auch seine knapp 50 000 Beschäftigten geholfen, insbesondere durch ihren unermüdlichen Einsatz zur Erreichung der ehrgeizigen Produktionsziele, die Musk regelmäßig ausruft, um Optimismus zu verbreiten und dadurch den Tesla-Aktienkurs zu stützen. Zwölf-Stunden-Schichten und Arbeitshetze führen im kalifornischen Tesla-Werk Fremont zu extrem hohen Krankenständen, die sich 2018 gegenüber dem Vorjahr noch einmal verdoppelt haben. Personalchefin Laures Shelby verteidigte ihr Unternehmen damit, dass es immerhin keine Toten gegeben habe, und »das ist die wichtigste Messgröße«.
Die Gewerkschaften können sich nicht wehren, denn das Tesla-Management verhindert die Organisierung der Belegschaft, unter anderem mit Hilfe seiner Security. Musk persönlich drohte über Twitter an, Gewerkschaftsmitglieder würden von der Vergütung über Tesla-Aktienoptionen ausgeschlossen. Für diese Praktiken wurde der Konzern zwar nun von einem US-Gericht verurteilt. Eine Strafe muss er jedoch nicht zahlen, weswegen das Urteil wohl folgenlos bleiben wird - ebenso wie die Aufregung über die Tatsache, dass Musk der US-Konzernboss ist, der im Verhältnis zu seinen Beschäftigten am meisten verdient: Während der Vorstandschef bei McDonald’s 2018 das 2124-Fache eines durchschnittlichen Burgerbraters erhielt, kassierte Musk das 40 668-Fache eines Tesla-Arbeiters.
Bleibt die Frage, ob das Brandenburger Werk überhaupt kommt. Schließlich sind Musks uneingelöste Versprechen legendär - von Produktions- über Gewinnzielen bis zur Ankündigung 2018, Tesla von der Börse zu nehmen, was nie geschah. Musks Versprechen sind Teil seines Geschäftsmodells, das wesentlich auf Spekulation beruht: Der Kurs der Tesla-Aktie - und damit Musks Reichtum - basiert auf der Erwartung »stratosphärischen Wachstums« (Bloomberg). Schließlich besteht das Unternehmen seit 16 Jahren und hat kaum je Gewinn gemacht. Während Musk also seine Arbeiter antreibt, muss er die Investoren mit Versprechen bei Laune halten, damit sie ihm immer neue Milliarden zuschießen. Diesem Ziel dienten wohl auch die Geschäftszahlen des dritten Quartals, in dem es Tesla wundersamerweise gelang, einen Gewinn zu erzielen, obwohl der Absatz im Hauptmarkt USA um 40 Prozent sank. Ob Tesla überhaupt in der Lage ist, E-Autos mit Profit zu produzieren, ist offen. Musk übt sich daher in der Kunst des Schürens von Erwartungen. An der Wall Street wie in Brandenburg.
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