Bitte mich verschonen!

Die Generation Z ist die beste Generation, die wir je hatten.

  • Paula Irmschler
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor Kurzem war ich auf einem Konzert einer jungen Künstlerin. Kaleo Sansaa heißt sie. Sie ist super - hören Sie sich das an, besuchen Sie ihre Konzerte, geben Sie ihr Geld. Das Konzert war faszinierend, absolut großartig, fast zu großartig, sodass der kleine Raum zu klein erschien und uns allen gleichzeitig bewusst war, dass wir uns gefälligst sehr geehrt fühlen sollten, mit ihr in diesem unglaublich kleinen Raum stehen zu dürfen. Wir hörten ihrer Musik ehrfürchtig zu und sangen mit, wenn sie uns dazu anhielt, und sie hielt uns oft dazu an. Sie war selbstbewusst und dreist, hin und wieder genervt von unserem Stock im Arsch und hatte damit vollkommen recht. Wir waren alle über 30 und hatten diese kühle Köln-Indie-Distanz, dieses Ausstellungs-Raucherecke-Parkajacken-Gehabe drauf, wie es dieser Raum so oft zuvor verlangt hatte, aber sie wollte mehr. Sie wollte, dass wir uns entspannen, loslassen, mitmachen, mit ihr versinken. Machten wir dann auch fast. So lange dauerte ihr Auftritt leider nicht, also verstanden wir nur fast.

Vor der Toilette wartete nach dem Auftritt eine Mutter auf ihre Tochter, mit Abstand die jüngste Besucherin, wahrscheinlich sogar noch minderjährig. Die Mutter, die auch dringend mal musste, erklärte mir, die Tochter habe sie »hierhin geschleppt«; das Mädchen sei großer Fan der Künstlerin, sie habe sie schon auf einer »Fridays For Future«-Demonstration gesehen, und das sei sehr schön und inspirierend gewesen; die Künstlerin habe da starke Ansagen und so gemacht. Meine Güte, was ist da nur passiert? Ich fühlte mich erinnert an meine grausige Jugend, wo man sich nur von Älteren erklären ließ, was jetzt cool sei, denn nur die wussten ja Bescheid. Ältere in der Schule, Ältere in den Magazinen, Ältere im Fernsehen, Ältere vorm Späti. Aber nein: Dieses Mädchen hat seine Mutter an einem Donnerstagabend in einen kleinen Laden am angeblich gefährlichsten Ort Kölns geschleppt, um sich ein Konzert anzusehen von einer Frau, die sie auf einer Demo gesehen hat, für die sie die Schule hat ausfallen lassen.

Geil. Ich liebe die Generation Z. Die Generation Z ist die beste Generation, die wir je hatten. Die Generation Z scheißt auf alle althergebrachten Instanzen. Sie lässt sich nix mehr vorsetzen und erklären, sondern geht einfach wohin. Ja, dann findet sie eben Rauchen uncool und komische kurze Videos cool. Aber sonst macht sie verdammt viel richtig. Während wir uns noch die Köpfe einschlagen, wer es in der Vergangenheit am meisten vermasselt hat, kriegen die jungen Frauen ihren Scheiß auf die Reihe und schleppen uns Alte auch noch mit. Und ich schreib das jetzt nicht nur hierhin, um mich einzuschmeicheln, damit sie mich nach der Revolution verschonen. Aber so wird es halt wirklich kommen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Dazu passende Podcast-Folgen:

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!