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Es war einmal eine Friedenspartei
Die Grünen trafen sich vor 20 Jahren schon einmal zum Parteitag in Bielefeld. Die damalige Konferenz war eine Zäsur
Die Stimmung ist aufgeheizt. Es riecht nach faulen Eiern, die Antikriegsdemonstranten auf Delegierte des Grünen-Parteitags werfen. Obwohl die Polizei auch mit Schlagstöcken gegen die Protestierenden vorgeht, gelangen einige in die Bielefelder Parteitagshalle. Außenminister Joschka Fischer trifft ein Beutel im Gesicht, in dem rote Farbe mit Buttersäure gemischt wurde. Trotzdem kann er sich letztlich durchsetzen: In der Abstimmung über die deutsche Beteiligung am NATO-Krieg gegen Jugoslawien erhalten Fischer und seine Mitstreiter eine Mehrheit. Dagegen stimmen unter anderem Claudia Roth und Hans-Christian Ströbele.
Der Parteitag im Mai 1999 war eine Zäsur für die Grünen. 20 Jahre später haben sie am Wochenende erneut eine Bundesdelegiertenkonferenz in Bielefeld abgehalten und sind kaum wiederzuerkennen. In der Zwischenzeit haben die Grünen in der einstigen Bundesregierung mit der SPD auch den Kriegseinsatz in Afghanistan sowie in der Folgezeit diverse weitere Einsätze der Bundeswehr unterstützt. Die mit großer Mehrheit in Bielefeld wiedergewählte Parteichefin Annalena Baerbock wirbt am Wochenende auf der Bühne »perspektivisch« für eine »europäische Armee«.
Und was ist aus denjenigen geworden, die einst versucht haben, aus den Grünen wieder eine Friedenspartei zu machen? Viele von ihnen, wie etwa der nordrhein-westfälische Landespolitiker Robert Zion, sind aus der Partei ausgetreten oder engagieren sich kaum noch. Letzteres gilt auch für den Münsteraner Basis-Grünen Wilhelm Achelpöhler. Er war lange Zeit ein Gesicht der 2007 unter anderem von dem Hamburger Grünen Uli Cremer gegründeten »Grünen Friedensinitiative«. Diese liege derzeit »in einem Dornröschenschlaf«, teilt Achelpöhler dem »nd« mit.
Die Haltung der Grünen in internationalen Konflikten soll auch im neuen Grundsatzprogramm festgeschrieben werden. Die Delegierten diskutieren am Sonntagmittag auf dem Bielefelder Parteitag über einen Aufschlag des Vorstands zum Grundsatzprogramm. Ein Entwurf soll im Sommer 2020 stehen und im Herbst auf einem Parteitag verabschiedet werden. Achelpöhler lässt an dem Aufschlag der Parteispitze aus friedenspolitischer Sicht kaum ein gutes Haar. Dieser erinnere mit der Forderung nach einer EU-Armee, welche die EU mit »strategischer Souveränität« ausstatten soll, damit sie »weltpolitikfähig« wird, mehr an den früheren CDU-Bundeskanzler Konrad Adenauer als an die Grünen-Mitgründerin und Friedensaktivistin Petra Kelly. »Denn Weltgeltung will die bundesdeutsche Politik nach 1945 seit Adenauer über ein starkes Europa erreichen, auch mit einer europäischen Armee«, so Achelpöhler. Allerdings passe der Vergleich der Grünen mit Adenauer nicht, muss er einschränken. Denn der einstige Kanzler habe keinen Krieg geführt.
Ungefragt zum Rekordergebnis
Grünen-Chefs Robert Habeck und Annalena Baerbock werden beim Bielefelder Bundesparteitag mit mehr als 90 Prozent wiedergewählt
In einer Passage zum neuen Programm heißt es, dass die Entsendung der Bundeswehr in militärische Einsätze »für uns unverrückbar die Ultima Ratio der Sicherheitspolitik« sei. Für die Grünen würden die Charta der Vereinten Nationen und das Völkerrecht gelten. Allerdings machen sie hier einige Einschränkungen. Denn es sei an der Zeit, den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VN) »entsprechend den veränderten internationalen Beziehungen so zu reformieren, dass eine gerechte Repräsentation der Staaten und Weltregionen in ihm abgebildet wird«. Gleichzeitig müsse ein Veto in Fällen von schwersten Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Völkermord ausgeschlossen sein, »um sich dem Dilemma zwischen der Verpflichtung zum Schutz vor schwersten Menschenrechtsverletzungen auf der einen Seite und der Achtung des VN-Mandatsgebots für Militäreinsätze auf der anderen Seite zu stellen«.
Vorlaute folgt auf Vermittlerin
Ricarda Lang ist in den Vorstand der Grünen gewählt worden: Die 25-jährige Jura-Studentin war Sprecherin der Grünen Jugend. Bisher ist ihre Heimat vor allem Social Media, hier wurde sie bekannt.
So wurde vor 20 Jahren auch die deutsche Kriegsbeteiligung gegen Jugoslawien begründet, als kein Mandat des UN-Sicherheitsrats vorlag, weil sich China und Russland weigerten. Die NATO brach damals das Völkerrecht, um eine angeblich humanitäre Intervention wegen Menschenrechtsverletzungen in Kosovo durchzusetzen.
»Die Grünen wollen das völkerrechtlich für sie lästige Vetorecht der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs im UN-Sicherheitsrat abschaffen«, kritisiert Achelpöhler. Dies wäre die Vollendung der »gleichberechtigten« Rückkehr Deutschlands auf die Bühne der Weltpolitik.
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