- Politik
- Parteitag der brasilianischen Arbeiterpartei
Lula. Lula. Lula?
Auf ihrem Parteitag gibt sich die brasilianische Arbeiterpartei kämpferisch.
Wo immer er an diesem Wochenende auftauchte, bildeten sich Menschentrauben, wurden die Smartphones gezückt und brannte lautstarker Jubel auf. Der brasilianische Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hatte am Wochenende den ersten Auftritt vor seiner Partei nach seiner Freilassung.
Am Freitagabend startete der Parteitag der PT in der Innenstadt von São Paulo mit einer kämpferischen Zeremonie in dem 1938 von portugiesischen Einwanderern gegründeten Veranstaltungsort Casa de Portugal. Rund 800 Delegierte verwandelten die altehrwürdige Aula mit Sprechchören, Trommeln sowieso Hüpf- und Tanzeinlagen in einen Hexenkessel. Auf der Bühne suchte die PT den symbolischen Schulterschluss mit Aktivist*innen von sozialen Bewegungen, Politiker*innen von linken Parteien und internationalen Delegierten. Spätestens als Lula unter tosendem Beifall die Bühne betrat, war die Message klar: Wir sind zurück.
Nach 580 Tagen in Haft war Lula war am 8. November nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs (STF) freigekommen. Für die meisten Delegierten in São Paulo ist klar, dass Lula bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2022 noch einmal antreten soll. Das geht allerdings nur, wenn die Urteile gegen ihn aufgrund von Befangenheit des damaligen Richters und heutigen Justizministers Sérgio Moro aufgehoben werden. »Lula hat die Fähigkeit große Teile der Bevölkerung zu mobilisieren und die Opposition gegen Bolsonaro anzuführen«, sagte der PT-Politiker José Dirceu dem »nd«, der ebenfalls von dem Urteil des STF profitierte und vorläufig aus dem Gefängnis entlassen wurde. Lula gibt sich kampfeslustig. »Die Haft hat mich gestärkt«, sagte er am Samstagmorgen bei einem Treffen mit ausgewählten Delegierten.
Hinter vorgehaltener Hand kritisieren einzelne Delegierte jedoch die Fixierung auf Lula und äußern Zweifel daran, dass er es als Wunderwaffe noch einmal richten kann. Allerdings hat die Partei keinen Kandidaten vorzuweisen, der auch nur annähernd so populär und charismatisch ist wie Lula. Sollte der ehemalige Gewerkschaftsführer 2022 nicht kandidieren dürfen, wird wahrscheinlich Fernando Haddad antreten.
Der ehemalige Bürgermeister von São Paulo und Ex-Bildungsminister unter Lula war im vergangenen Jahr in der Stichwahl als PT-Kandidat gegen den Rechtsradikalen Jair Bolsonaro unterlegen. »Ohne seine Fake News hätte er die Wahl nicht gewonnen und ich wäre jetzt Präsident«, sagte Haddad dem »nd«. »Unsere Partei ist in Brasilien tief verwurzelt und hat große Unterstützung in der ganzen Welt.«
Allerdings ist die PT für viele Brasilianer*innen auch untrennbar mit den schweren Korruptionsskandalen verbunden, die Brasilien seit 2013 in Atem halten. Zuletzt hatte Lula auch bei vielen Linken für Kritik gesorgt, als er erklärte, dass seine Partei keine Selbstkritik machen müsse. Und auch parteiintern gibt es Konflikte. Am Sonntag fanden Abstimmungen über die Ausrichtung der Partei statt.
Der sozialistische Flügel wollte das Ziel Bolsonaro zu stürzen, als Leitlinie in die Geschäftsordnung aufnehmen. »Brasilien hat mit der Amtsenthebung von der Ex-Präsidentin Dilma Rousseff und den Wahlbetrug von Bolsonaro einen Putsch erlitten. Somit hat Bolsonaro kein Recht zu regieren«, sagte die PT-Politikerin Eutália Barbosa aus dem nördlichen Bundesstaat Tocantins gegenüber »nd«. Der Antrag ihres Flügels scheiterte jedoch an den Stimmen des sozialdemokratischen Flügels, der die absolute Mehrheit in der Partei stellt.
Auch über mögliche Koalitionen sind sich die verschiedenen Strömungen der Partei uneinig. Während der linke Flügel ein Bündnis ausschließlich mit linken Kräften schmieden will, überlegt der sozialdemokratische Flügel, auch strategisch mit Mitte-Rechts-Partei gegen Bolsonaro zusammenzuarbeiten. Auch dieser Antrag des linken Flügels scheiterte in einer Abstimmung. Zur Parteivorsitzenden wurde nach einer hitzigen und lautstarken Debatte Gleisi Hoffmann wiedergewählt, die dem sozialdemokratischen Flügel zuzuordnen ist.
Zahlreiche internationale Delegierte waren auf dem Parteitag vertreten. Für die LINKE war der Europaabgeordnete und Handelsexperte Helmut Scholz angereist. »Brasilien durchlebt eine extrem zugespitzte Situation, Bolsonaro will die PT mittelfristig ausschalten«, sagte Scholz dem »nd«. »Bei Bolsonaro sieht man wie neoliberale Wirtschaftspolitik und rechtsradikale, zum Teil faschistische Gewalt zusammenhängen.« Gerade auch in Hinblick auf das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur will Scholz zusammen mit der PT und anderen brasilianischen Parteien über eine »Umgestaltung der aktuellen Wirtschaftspolitik diskutieren« und »einen gemeinsamen Arbeitsprozess starten.«
Für die PT geht es nun vor allem darum, sich auf die Munizipalwahlen im kommenden Oktober vorzubereiten, um eine erneute Schlappe zu verhindern. Viele Mitglieder der Partei sind sich sicher: die Freilassung von Lula wird der Partei den dringend nötigen Antrieb für die Wahlen geben.
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