Da kann man nix machen

Tim Wolff über den Klimawandel und die Herausbildung sozialer Normen

  • Tim Wolff
  • Lesedauer: 3 Min.

Dieser Klimawandel. Es ist zu viel CO2 in der Atmosphäre, noch mehr dürfte nicht hinein. Was ohne eine profunde Umstellung des Produzierens und Wirtschaftens leider nicht geht. Da das aber nicht sein darf, leugnet die rechtsliberale Fraktion (die ihre Existenzberechtigung noch immer aus dem Ende der Sowjetunion zieht) die Wissenschaft, die das berichtet, und unterstellt, der Umsturz sei das eigentliche Ziel. Nebenbei freut sie sich über jede Bigotterie derjenigen, die auch nur kleinste Änderungen fordern: über fliegende Jugendliche, norwegische Ölfelder oder antisemitische Rebellen; so als würde das das Problem ungeschehen machen - statt zu zeigen, wie hoffnungslos alles ist. Der Rest der herrschenden Ideologen tut so, als müsse man nur Produkte kaufen, die etwas weniger CO2 verursachen - was in etwa so sinnvoll ist, wie zu sagen, eine versalzene Suppe benötige nur mehr von einem weniger salzigen Salz.

In Wahrheit wird aber so viel CO2 wie nie zuvor in die Atmosphäre gejagt. Schuld daran ist aber keinesfalls die Ordnung, sondern der Einzelne in ihr - kollektiv. Wie es einem Armin Falk, »Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn und Direktor des briq-Instituts für Verhalten und Ungleichheit«, aufgefallen ist. In der »Zeit« schreibt er: »Wieso rennen wir wider besseres Wissen auf den Abgrund zu? Warum fällt es uns politisch und persönlich so schwer, klimafreundlich zu handeln? Und kann man hoffen, dass wir uns kollektiv doch noch eines vernünftigeren Lebenswandels besinnen?« Dieses »Wir« bezeichnet den Konsumenten der berühmten Ersten Welt. Diejenigen, die »unseren« »Lebenswandel« dank Ausbeutung ermöglichen und nahezu null zur Klimakatastrophe beitragen, existieren darin so wenig wie in der Betrachtung des Kapitalismus durch die Volkswirtschaftslehre.

»Schaut man das an aus Sicht der Verhaltensökonomie, ist Skepsis angebracht.« Nicht nur aus Sicht der Verhaltensökonomie, ist sie doch Teil des Problems. Denn sie weiß alles und doch nichts. Der Einzelne versagt nämlich dank dessen, »was die Ökonomie als klassisches Kooperationsdilemma kennt: Meine Handlungen kosten mich etwas, doch ihr ›Klima-Nutzen‹ ist für mich kaum existent. Der Gesamtnutzen meines Verhaltens ist aber ungefähr 7,5 Milliarden Mal größer - er kommt ja jedem Menschen dieser Erde zugute. Individuell wäre es also rational, sich unkooperativ zu verhalten und weiter viel zu fliegen - was für alle zusammen in die Katastrophe führt.« Die individuelle Rationalität unkooperativen Verhaltens ist der Wesenskern des Kapitalismus - und er führt in die Katastrophe.

Was tun, Herr Verhaltensökonom? »So schwer sie fällt: Kooperation ist aus Sicht des Gemeinwohls richtig.« Ach was!

»Daher kann man hoffen, dass die Gesellschaft soziale Normen der Umweltkooperation herausbilden wird.« Hoffen kann man. »Soziale Normen entstehen genau dort, wo Kooperationsprobleme gelöst werden müssen.« Au fein. »Ihre Wirkung entfalten sie durch Gefühle von Schuld und Scham sowie durch Strafen, Sanktionen oder sozialen Ausschluss. Ein gutes Beispiel ist das Rauchen in öffentlichen Räumen. Noch vor Kurzem war es vollkommen normal, in einem Bahnhof oder einer Kneipe zu rauchen. Heute ist es sozial geächtet. Wann beginnen sich Menschen zu schämen oder werden sozial sanktioniert, wenn sie nicht Tabakrauch, sondern klimaschädliche Gase emittieren? Die Wissenschaft weiß nichts darüber, in welcher Geschwindigkeit sich welche Normen herausbilden und wie wirksam sie sind.« Wikipedia aber schon: »2016 war das erste Jahr, in dem die Gesamtzahl der weltweit gerauchten Zigaretten zurückging.« Wie lange es wohl dauern wird, bis niemand mehr raucht?

Herr Professor? »Die Vermutung liegt nahe, dass die sozialen Normen sich möglicherweise zu langsam herausbilden, um das Kooperationsproblem dezentral zu lösen. Hoffentlich ist das ein Irrtum.« Ist es nicht. Schade, aber kann man nix machen.

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