Gewalt gegen Frauen trifft besonders Flüchtlinge

Ab 2020 soll zentrale Beschwerdestelle für Menschen in Berliner Gemeinschaftsunterkünften eingerichtet werden

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

»Es fehlt besonders an medizinischer Unterstützung, an behindertengerechten Wohnungen. Es gibt sehr viel Diskriminierung in den Unterkünften, weil die Mitarbeiter sagen, wir würden alles kompliziert machen und problematisch sein«, schildert eine Mittvierzigerin auf Russisch. Selten könne sie als behinderte, geflüchtete Frau vor Beleidigungen und Angriffen im öffentlichen Raum weglaufen. Ihren Namen möchte die gewalterfahrene Frau nicht in der Zeitung lesen. Sie wünscht sich Hilfe und fachkundige Übersetzer in Krankenhäusern, bei Operationen oder Nachbehandlungen. Und die Möglichkeit, sich unabhängig von den zuständigen Behörden beschweren zu können und ihre Rechte einfordern zu können.

Die Datenlage zur Gewalt gegen Frauen insgesamt könne nur fassungslos machen, so Sybill Schulz, Leiterin der Koordinierungsstelle Flüchtlingsmanagement, die bei der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales angesiedelt ist. Denn die Zahlen steigen: Für Berlin sind für das Jahr 2018 durch die Polizeiliche Kriminalstatistik 15 368 Fälle von innerfamiliärer und partnerschaftlicher Gewalt erfasst (2017: 14 223), davon waren 11 252 Opfer weiblich (2017: 10 643) und 10 005 der Frauen über 18 Jahre alt (2017: 9395). »Wir gehen von einer hohen Dunkelziffer aus«, sagt Schulz am Montag bei einem Pressegespräch in den Räumen des migrantischen und feministischen Vereins Trixiewiz. Beteiligt war neben deren Leiterin Teresita Cannella auch die Integrationsbeauftragte Katarina Niewiedzial. Für viele Frauen, so Schulz, sind Anzeigen und Beschwerden gegen Gewalttäter mit großen Ängsten und Unsicherheiten verbunden. Der Verein ist unter anderem Beratungs- und Anlaufstelle für von Gewalt betroffenen Frauen. Schulz und Niewiedzal heben die Arbeit des Vereins sehr hervor: »Sie bestärken Frauen darin, dass diese keine Verantwortung für das Erlittene trifft. Das Problem ist niemals die Frau, die Opfer von Gewalt wird, sondern die Person, von welcher die Gewalt ausgeht«, erklärt Sybill Schulz. Besonders betroffen, darin sind sich die Anwesenden einig, sind Flüchtlingsfrauen. Sie sind strukturell unterschiedlicher Gewalt ausgesetzt: die Gewalt, die sie zur Flucht zwingt, die Gewalt, die sie an den Fluchtorten erfahren und schließlich, weil ihnen dort kein Schutz gewährt wird, die Gewalt durch Abschiebung.

In Berlin, so eine Mitarbeiterin von Trixiewiz, seien diese Frauen mit verschiedenen Formen von Macht konfrontiert, die gegen sie ausgeübt werde: in Gemeinschaftsunterkünften würden viele Frauen beispielsweise häufig durch Security-Mitarbeiter eingeschüchtert und bedroht. Die Angst, hieraus entstehend Nachteile im Asylverfahren oder gar den Rauswurf aus der Unterkunft und damit die Obdachlosigkeit zu riskieren, halte die meisten davon ab, Anzeige zu erstatten oder über die erlittene Gewalt zu sprechen. Es brauche mehr geschulte und weibliche Security.

»Wir werden ab dem kommenden Jahr für alle 80 Gemeinschaftsunterkünfte eine unabhängige, zentrale Beschwerdestelle einrichten«, verspricht Schulz. Das sechsmonatige Pilotprojekt in zwölf Berliner Unterkünften sei sehr gut angenommen worden. Die Einrichtung soll mit fünf Sozialarbeiter*innen fest an einen Träger angebunden und mit einer Geschäftsstelle ausgestattet werden. 15 »mobile Mitarbeiter*innen« sollen darüber hinaus in den Unterkünften aufsuchende Sozialarbeit leisten.

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