Gesinnungsprozess gegen kurdische Feministin

In Berlin-Schöneberg läuft ein Terrorverfahren wegen angeblicher PKK-Mitgliedschaft, die Beweislage ist dünn

  • Vanessa Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Freitag steht Yildiz Aktaş erneut vor dem Kammergericht in Berlin-Schöneberg. Seit dem 25. Oktober muss sich die kurdische Feministin hier verantworten. Nach Paragraf 129b des deutschen Strafgesetzbuches wird ihr vorgeworfen, sich in den Jahren 2013 und 2014 unter anderem in Berlin für die PKK engagiert zu haben.

»Paragraf 129b knüpft an Straftaten im Ausland an. Bei der PKK geht es beispielsweise um Angriffe auf türkische Soldaten«, erklärt Aktaş‘ Anwalt Lukas Theune im Gespräch mit »nd«. Bei dem Prozess gegen Yildiz Aktaş stünden allerdings Aktivitäten im Mittelpunkt, die in der BRD vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt seien, wie die Teilnahme an einer Demonstration oder das Malen von Transparenten. »Nichts davon ist in Deutschland verboten«, so Theune. Die Logik des Paragrafen 129b erlaube es den Strafverfolgungsbehörden, aus der Teilnahme an einer Demonstration die Unterstützung einer »terroristischen Vereinigung im Ausland« zu machen. Bei Aktaş gehe es darum, ob sie die kurdische Arbeiterpartei ideologisch unterstützt. Bei einem Schuldspruch droht ihr eine langjährige Haftstrafe - sie wäre laut dem kurdischen Informationsdienst Azadi die erste Frau.

Aktaş, die solange der Prozess läuft, nicht mit der Presse sprechen möchte, wurde bereits 1981 im Alter von nur zwölf Jahren als jüngste weibliche Gefangene im Gefängnis von Diyarbakir inhaftiert und dort schwer misshandelt. Später engagierte sie sich in der prokurdischen »Partei des Friedens und der Demokratie« (DBP) für Frauenrechte und Feminismus. Immer wieder wurde sie deshalb inhaftiert. Bis heute leidet sie unter erheblichen gesundheitlichen Problemen durch die erlebte Folter und Gewalt. In 2011 zeigte sie dennoch zusammen mit anderen Überlebenden aus Diyarbakir, die verantwortlichen Gefängnisbetreiber an. Als Aktaş 2012 eine erneute Inhaftierung in der Türkei drohte, floh sie nach Deutschland und erhielt politisches Asyl.

»Es ist wirklich grotesk, dass der deutsche Staat sie nun für die gleichen politischen Tätigkeiten verfolgt, für die er ihr 2012 politisches Asyl gewährt hat«, sagt eine Unterstützerin von Aktaş. Für sie sei das Strafverfahren auch ein Angriff auf die internationale feministische Bewegung, denn »die kurdische Frauenbewegung bietet Feminist*innen weltweit Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben in Würde und Freiheit.«

Dem stimmt auch Theune zu: »Das scheint dem deutschen Staat nicht zu gefallen.« Selbst aus der Telefonüberwachung ergebe sich nicht, dass die Angeklagte PKK-Mitglied war. »Wohl aber, dass sie sich für Feminismus und kurdische Belange im Allgemeinen eingesetzt hat«, sagt der Anwalt. So habe Aktaş beispielsweise gegen die Ermordung der Kurdinnen Sakine Cansiz, Leyla Söylemez und Fidan Dogan in Paris 2013, mutmaßlich durch den türkischen Geheimdienst, protestiert. »Sich gegen Frauenmorde einsetzen kann man aber auch als Feministin, dafür muss man kein PKK-Mitglied sein«, stellt Theune fest.

Aktaş’ Unterstützerinnen kritisieren, dass das Verfahren ausgerechnet während des türkischen Angriffskrieges gegen Nordsyrien stattfindet. »Die Kriminalisierung der kurdischen Bewegung ist im Zuge dessen scheinheilig«, meint Theune dazu. Wie scheinheilig auch das Verfahren ist, offenbart sich während der Verhandlung selbst. So stützt die Staatsanwaltschaft ihre Beweisführung auf Berichte über PKK-Anschläge in türkischen Medien. »Wie ist es denn mit der Pressefreiheit in der Türkei bestellt?«, fragt Theune am Prozesstag am 1. November - und sorgt für einen Moment betretenen Schweigens im Gerichtssaal.

Für Freitag rufen Unterstützer*innen zu einer Kundgebung um 8 Uhr vor dem Kammergericht auf.

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