Schulbau in Berlin dauert zu lange

Bezirksschulstadtrat Gordon Lemm (SPD) fordert beschleunigte Neubauverfahren

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit Jahren ist die Grundschule am Schleipfuhl in der Nossener Straße überbelegt. Eltern und Lehrer in Hellersdorf-Süd sind wütend. Ganze Klassen müssen täglich mit dem Bus in eine andere Schule gefahren werden, dringend benötigte »Modulare Ergänzungsbauten« (MEB) kommen nicht. Was ist da los in Ihrem Bezirk?

Ich kann gut nachvollziehen, dass die Schulgemeinschaft sauer ist. Die räumliche Situation vor Ort ist angespannt. Seit 2015 weisen die Eltern und Lehrer zu Recht auf die Raumnot an der Schule hin. Als Bezirk haben wir uns beim Senat umgehend um die Aufstellung von MEBs bemüht. Diese sollen zwölf adäquate Klassenräume bieten. 2018 sollten die Container auf einem freien Grundstück gegenüber des Schulbaus aufgestellt werden. Der Bauantrag war gestellt, die Schulleitung in freudiger Erwartung. Doch dann machte uns die Berliner Verkehrsverwaltung unerwartet einen Strich durch die Rechnung.

Gordon Lemm

Gordon Lemm (SPD) ist Bezirksschulstadtrat in Marzahn-Hellersdorf. Davor arbeitete der Historiker als persönlicher Referent des Bezirksbürgermeisters von Pankow. Über die Bedeutung der Berliner Schulbauoffensive für seinen Bezirk und den konkreten Fall einer Grundschule, die seit Jahren überbelegt ist, sprach mit dem 42-Jährigen.

Sie beziehen sich auf Pläne der Senatsverkehrsverwaltung aus den 90er Jahren, die auf der grünen Wiese vor der Schule die Verlegung einer Tram-Linie vorsehen.

Genau. Als wir von diesem alten Vorhaben erfahren haben, war das für uns ein Schlag ins Kontor. Dem Bezirk hatte vorher ja niemand etwas davon gesagt. Und auf einmal hieß es von der Bildungsverwaltung, dass es aufgrund der rechtlich nach wie vor gültigen Tram-Pläne nicht mehr möglich sei, MEBs auf der Fläche aufzubauen. Die Unfallgefahr für die Kinder sei zu hoch. Damit standen wir als Bezirk wieder ganz bei null. Vor Ort passierte ein weiteres Jahr nichts.

Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) sagt, dass die Idee für die Tram-Linie aktuell nicht mehr verfolgt wird. Sind die Schüler der Grundschule am Schleipfuhl also Geisel einer Berliner Politposse?

Wenn Menschen dieses Gefühl haben, kann ich das verstehen. Ich ärgere mich selber über dieses ganze Hin- und Her. Es ist für mich grundsätzlich unverständlich, dass eine Tram Vorrang vor neuen Schulräumen für unsere Kinder haben soll. Wie realistisch die konkreten Pläne sind, sei mal dahingestellt. Zumal es an der Grundschule keine vergleichbaren Freiflächen gibt, wohin die mobilen Klassenzimmer ausweichen könnten.

Verkehrssenat, Bildungsverwaltung, Bezirk: Wer ist Schuld daran, dass die mobilen Klassenzimmer immer noch nicht stehen?

Ich weiß nicht, ob es Sinn macht, die Schuldfrage zu stellen. Wenn man es doch tun will, würde ich die gesetzlichen Regelungen zum Neubau kritisieren. Der Bau von Schulen dauert in Berlin einfach viel zu lange. Wenn der Antrag auf Baugenehmigung - der ja auch für die MEBs gilt - gestellt ist, geht es mit der Brandschutzprüfung los. Die dauert 16 Wochen. Die Überprüfung des Ergebnisses durch die Bauaufsicht nimmt weitere 14 Wochen in Anspruch. In toto heißt das: 30 Wochen passiert erst mal gar nichts. Ich kann das den Bürgern alles erklären. Für die Menschen zählt doch aber: Steht der Bau, in dem meine Kinder gut unterrichtet werden, zeitnah an Ort und Stelle, oder steht er eben nicht. Ich wünsche mir, dass Schulbauten künftig in beschleunigten Verfahren errichtet werden.

Bildungsstaatssekträtin Beate Stoffers sagt, dass bis Juni 2020 mobile Klassenräume der Grundschule am Schleipfuhl zur Verfügung stehen werden. Errichtet werden sollen sie für maximal zwei Jahre auf der grünen Wiese, allen Tram-Plänen zum Trotz. Sind Sie zuversichtlich, dass es diesmal klappt?

Ich kann und will nichts versprechen und sage es mal so: Momentan spricht nichts gegen dieses Datum. Als Schulamt haben wir unseren Zoll geleistet. Jetzt ist das Bauamt am Zug. Die Kollegen müssen eine geeignete Baufirma finden, die zügig und wirtschaftlich arbeitet.

Selbst wenn die mobilen Klassenzimmer im kommenden Jahr endlich stehen sollten, ist das nur eine Übergangslösung. Wann kann der Bezirk tun, um die schulische Raumnot in Hellersdorf nachhaltig zu entspannen?

Die Senatsbildungsverwaltung hat angekündigt, im Rahmen der Berliner Schulbauoffensiven einen Neubau in Form eines MEB an die Grundschule am Schleipfuhl zu setzen. Damit sollen die zusätzlichen zwölf Klassenräume der mobilen Klassenzimmer dauerhaft gesichert werden. Zudem ist eine neue Schule im Kiez geplant. Beide Maßnahmen sollen bis zum Schuljahr 2022/23 fertiggestellt werden.

Welche Bedeutung hat die Schulbauoffensive des rot-rot-grünen Senats für Ihren Bezirk Marzahn-Hellersdorf insgesamt?

Für Marzahn-Hellersdorf ist die Berliner Schulbauoffensive ganz entscheidend. Die Zahl der Familien mit Kindern im Bezirk steigt. Mussten meine Amtsvorgänger noch bis 2006 Schulen schließen, fehlen uns die Einrichtungen jetzt. Im Bezirk brauche ich in den nächsten zehn Jahren mindestens zehn neue Schulen. Als Bezirksamt ist es unsere Aufgabe, dem Senat die Flächen für die Bauten zur Verfügung zu stellen. Die Milliardeninvestitionen der Schulbauoffensive sind unverzichtbar.

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